Wien - "Das Klavier ist ein Schlaginstrument und weiter nichts", hat Igor Strawinski einmal geäußert. Am Sonntag schien es so, als hätte Hélène Grimaud vor allem diesen Satz verinnerlicht. Für das zweite Klavierkonzert von Brahms kann er allerdings nur bedingt Gültigkeit beanspruchen.

Und so wurde das Zusammenspiel der Französin mit den Wiener Philharmonikern und Dirigent Andris Nelsons zum Schlagabtausch mit ungleichen Mitteln: Wo das Orchester atmende Phrasen spannte, wurden diese von der Pianistin mit roher Brutalität zerhackt, und sie trat die Flucht nach vorn an: Zum Opfer fiel diesem Zugriff so ziemlich der ganze altmodische Begriff der Klangkultur.

Von Differenzierung innerhalb der geschmetterten Akkordgriffe war nirgends auch nur eine Spur, und von lyrischen Bögen konnte keine Rede sein. Stattdessen spielte Grimaud weitgehend am Orchester vorbei: gestalterisch ohnehin, oft auch eklatant nicht mit ihm zusammen. Bejubelt wurde sie freilich in gewohnter Manie(r).

Dramatik und Klarheit

Für das Konzert in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Wien - unter anderem mit der Folge, dass zwischen den Sätzen ausgiebig geklatscht wurde und mitunter im Großen Saal des Wiener Konzerthauses ein chaotisches Kommen und Gehen herrschte - komplettierte die 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven das populäre Programm: Hier agierten Dirigent und Orchester in größtmöglicher Geschlossenheit.

Auch wenn Nelsons dabei vielleicht ein wenig gar viel sprunghafte Pantomime zeigte, führte sein Ganzkörpereinsatz doch zu explosiver Energie, die dabei allerdings immer in einen straffen und genau abgestuften Gesamtverlauf eingebettet war - sowohl dynamisch als auch hinsichtlich eines exakt kalkulierten Timings.

Mit dem breiten Pinsel philharmonischen Wohlklangs, der auch viel an Zuspitzung zuließ, erreichte Nelsons ein Höchstmaß an Dramatik, katastrophischer und triumphaler Extrempunkte und wie nebenbei noch erstaunlich viel an motivischer Klarheit. (Daniel Ender, DER STANDARD, 27.11.2012)