Befristete Mietverträge in privaten Wiener Altbauten, die allesamt in das Richtwertmietensystem fallen, müssten eigentlich günstiger sein als unbefristete. Im Fall einer Befristung muss der Vermieter nämlich einen 25-prozentigen Abschlag auf den Richtwert (der in Wien aktuell bei 5,16 Euro pro m² und Monat liegt) gewähren.

Viele Vermieter tun das aber nicht, kritisiert die Arbeiterkammer am Montag einmal mehr. Das führe dazu, dass befristete Neumietverträge mittlerweile teurer seien als unbefristete.

15 bis 22 Millionen Euro

Gabriele Zgubic, Leiterin der AK-Konsumentenschutzabteilung, hat nun berechnen lassen, um wieviel Geld die Wiener Privatmieter mit befristeten Mietverträgen im Jahr 2010 zu viel an Miete zahlten. Als Basis dienten ihr Mikrozensus-Daten der Statistik Austria über rund 17.400 Wiener Richtwertmietverträge der Kategorie A aus dem Jahr 2010, von denen etwa 7.000 befristet waren.

Heraus kam die stolze Zahl von 15 Millionen Euro. "Rechnet man noch die unbefristeten Mietverhältnisse dazu, sind es sogar rund 22 Millionen Euro."

60 Prozent mehr statt 25 Prozent weniger

Konkret betrug der Wiener Richtwert vor zwei Jahren noch 4,91 Euro pro Quadratmeter, als durchschnittlich zulässiger Lagezuschlag wurden 0,63 Euro pro Quadratmeter ermittelt. In der AK-Rechnung ergibt das im Schnitt einen zulässigen Mietzins von 5,54 Euro pro Quadratmeter und Monat für einen unbefristeten Vertrag.

Zieht man den Befristungsabschlag von 25 Prozent ab, kommt eine zulässige Nettomiete von höchstens 4,16 Euro heraus. Tatsächlich hätten die Vermieter aber im Schnitt 6,65 Euro verlangt, so Zgubic. "Die Vermieter verlangten also um 60 Prozent mehr Miete, als zulässig gewesen wäre." Bei unbefristeten Verträgen lag der unzulässige Aufschlag demnach bei 14 Prozent.

Im Schnitt zahlten laut AK die Mieter einer befristet vermieteten privaten 75 Quadratmeter großen Wiener Altbaumietwohnung (Kategorie A) 2010 damit um 2.240 Euro zu viel an Miete (ohne Berücksichtigung anderer zulässiger Zuschläge, etwa für Freiflächen, Aufzüge oder andere "Extras" bei der Ausstattung).

Kategorie C statt A

Beispiele aus der Praxis, erhoben von der Mietervereinigung, würden zeigen, "wie konkret von Mietern zu Vermietern umverteilt wird", so die AK weiter. Im Jahr 2007 wurde etwa im 7. Bezirk eine Wohnung mit 107 Quadratmeter um 7,69 Euro/m² befristet angemietet. In einem Verfahren vor der Schlichtungsstelle wurde die zulässige Nettomiete mit 4,46 Euro pro Quadratmeter festgelegt. Der Aufschlag betrug damit 62 Prozent, der Mieter zahlte 4.150 Euro im Jahr zu viel. Bei einem 2006 abgeschlossenen befristeten Mietvertrag für eine Wohnung in Hernals (55 m²) wurde der Mietzins von 4,99 Euro auf nur noch 2,33 Euro herabgesetzt - weil sich herausstellte, dass es sich bei der Wohnung nicht um Kategorie A, sondern bloß um schlecht ausgestattete Kategorie C handelte. Der Aufschlag betrug 114 Prozent, der Mieter zahlte um 1.760 Euro im Jahr zu viel.

Eine AK-Studie zur Praxis des Richtwertmietsystems aus 2010 habe gezeigt, dass falsche Einstufungen keine Ausnahme sind: Von 150 in der Studie untersuchten Mietverträgen wurden 28 Prozent von Kategorie A auf C zurückgestuft. 

Reform gefordert

Die Arbeiterkammer fordert nach wie vor eine umfassende Reform des Mietrechtsgesetzes. Neben einem klaren Zu- und Abschlagskatalog sollten die Zuschläge zum Richtwert generell auf höchstens 20 Prozent des Richtwertes begrenzt werden und der Lagezuschlag abgeschafft werden. Befristungen sollten nur noch möglich sein, wenn "sachlich gerechtfertigte Gründe" vorliegen, etwa Eigenbedarf des Vermieters.

WK: "Zahlenspielerei"

Michael Pisecky, Immobilientreuhänder-Obmann der Wiener Wirtschaftskammer, nannte die Angaben der Arbeiterkammer "theoretische Zahlenspielereien, die lediglich der Verunsicherung der Wiener Mieter dienen". Für ihn ist der niedrige Wiener Richtwert nach wie vor das größte Problem, "wäre dieser endlich auf einer angemessenen Höhe, wäre der Zuschlag sofort kein Thema mehr", sagte er zur APA.

Auch für Anton Holzapfel vom Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) ist das Grundproblem, "dass der Richtwert in Wien vor 20 Jahren künstlich niedrig gehalten wurde und die gesetzlich vorgesehenen Marktanpassungen des Richtwertes einfach abgeschafft wurden". Der Richtwert in Graz (7,11 Euro) liege zwei Euro pro Quadratmeter über dem Wiener Richtwert, so der ÖVI-Geschäftsführer am Montag.

Befristete Wohnungen verursachten für den Eigentümer deutlich erhöhte Kosten, "da heute ein Mieter nur mehr bereit ist, in eine qualitativ hochwertig ausgestattete Wohnung einzuziehen. Der Befristungsabschlag ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht daher jedenfalls in Frage zu stellen, genauso wie die Richtwertfestetzung an sich." (red/APA, derStandard.at, 26.11.2012)