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Gleich hinter den Oasen von Tozeur und Douz spielt's Karawane - am Rande des Sahara-Festivals ebenso wie ganzjährig bei Tagesgästen, die von der Küste kommen.

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Tunisair fliegt derzeit zweimal pro Woche – donnerstags und sonntags – nonstop von Wien nach Tunis. Tickets ab rund 130 Euro pro Strecke. Gut einstündiger Weiterflug mit der Tochtergesellschaft Tunisair Express in die Oasenstadt Tozeur derzeit fünfmal die Woche ab 50 Euro pro Strecke. Übernachtung: zum Beispiel im Hotel Ksar Rouge el Dorador in Tozeur ab 99, im Hotel Sahara in Douz ab 52 Euro bei Buchung über die Hotelplattform HRS. Weitere Infos: Tunesisches Fremdenverkehrsamt, Opernring 1, 1010 Wien, Tel.: 01/585 34 80; www.tunesien.info

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Ideale Reisezeit für die Wüstenregion Südtunesiens sind die Monate von Oktober bis April mit Tagestemperaturen zwischen 22 und 30 Grad und Nachttemperaturen bei etwa fünf Grad. Im Einzelfall kann es nachts auch an den Gefrierpunkt gehen. In jedem Fall darf der Koffer im Winterhalbjahr nicht zu klein ausfallen: Vor allem, wenn man das Internationale Sahara Festival in Douz (voraussichtl. 22.-25. 12. 2012; Termin unter: www.festivaldouz.org.tn) besuchen will, auf dem oft bis spät in die Nacht gefeiert wird, sollte man sich auch dickere Jacken und generell praktische Kleidung mitnehmen. Wichtig zu wissen: Hotels haben hier oft keine Heizungen.

Die Oasen Südtunesiens sind auch nach dem Ende der Diktatur unkompliziert bereisbar, das Straßennetz ist gut und die Sicherheitslage solide, solange man sich nicht ohne ortskundige Begleitung weit in die Wüste hinaus begibt. Gleichwohl haben viele Reiseveranstalter ihre geschrumpften Tunesien-Programme noch nicht wieder hochgefahren, sodass der Süden des Landes derzeit eher Individualisten- als Pauschalurlauber-Reiseziel ist. Vom Autor dieses Beitrags ist ein Band mit Tunesien-Reportagen unter dem Titel "Die Flecken im Fell des Leoparden – tunesische Arabesken" (Picus-Verlag Wien; im Buchhandel € 14,90) erschienen.

Foto: Picus-Verlag

Walid Faruk ist spät dran an diesem Abend, muss eilig sein Kostüm aus dunklem Anzug, weißem Hemd und rotem Schlips ausziehen, den Alltag anziehen, seine Gaïda-Flöte packen und hinters Steuer seines alten Toyota springen. Gut zwei Kilometer fährt er vom Mitarbeiterparkplatz des Hotels bis an den Rand der Wüste vor den Toren der Oasenstadt Tozeur.

Den Wagen stellt er im langen Schatten einer Düne ab, stapft in seiner weiten weißen, togaartigen Djellaba durch den warmen Sand bergauf, während die Körner unter den Sandalen nach allen Seiten zu flüchten scheinen. Walid verschnauft nur kurz, schlendert wie zufällig über den Dünenkamm und trifft im Tal dahinter scheinbar völlig überraschend auf eine Urlaubergruppe - rechtzeitig kurz vor Sonnenuntergang.

"Beduin, beduin", ruft er mit sehr nasalem "n", lächelt, legt seine rechte Hand aufs Herz, holt die Flöte heraus, hockt sich zu den fremden Menschen aus der anderen Welt weit nördlich von Wüste und Mittelmeer, fängt an, Flöte zu spielen, und zaubert Töne hervor, als wolle er Schlangen beschwören. Irgendwann beginnt er zu singen: wunderschöne Lieder voller Gefühl. Sie passen zur Weite der Wüste. Es sind die, die seine Vorfahren dort einst gesungen haben, als es noch keine Hotels in Tozeur, keine Pools, keinen Oasen-Airport für Ferienjets gab.

Tagsüber arbeitet Walid an der Rezeption eines Drei-Sterne-Hotels, zum Sonnenuntergang verwandelt er sich nebenberuflich in einen Verzauberer - wann immer es der Dienstplan erlaubt. Er taucht dort auf, wo die Ausflugslandrover halten: weil das Panorama der Dünen besonders schön ist. Weil fotogene Dromedare in der Nähe sind. Und weil all das auch ohne jede Inszenierung diesen Zauber hätte.

Stecknadeln im Sand

"Die Flecken im Fell des Leoparden" haben die alten Römer die Oasen des heutigen Südtunesiens ehrfurchtsvoll genannt. Schwer erreichbar sind sie gewesen, grüne Stecknadelköpfe mit rauschenden Bächen und kleinen Wasserfällen inmitten der Einöde. Heute ist die tunesische Sahara "Wüste light", sie ist gut erschlossen, viel leichter zu erreichen und zu bereisen als die der Nachbarn Libyen und Algerien. Und selbst zu Zeiten arabischer Revolutionen viel sicherer.

Die Oasen sind inzwischen auf gut ausgebauten Straßen in einer Tagesreise problemlos von der Küste aus zu erreichen. Von Tunis in die Oasenstadt Tozeur mit ihren 45.000 Einwohnern und einer halben Million Dattelpalmen sind es 450 Kilometer Asphalt, vom Badeort Monastir nach Douz keine 300. Der Flughafen Tozeur-Nefta wird von Tunis aus angeflogen: keine wochenlangen Dromedarritte auf alten Karawanenwegen mehr, kein Urlaub ohne Hotelzimmer, ohne fließendes Wasser. Tozeur und Douz sind die Vorzeige-Oasen des Landes geworden, sie sind beliebte Ziele für Zwei- und Dreitagesausflüge der Küstenurlauber.

Nach Douz kommen aber ebenso Individualreisende: Seit 1910, immer um unsere Weihnachtszeit, wird hier beim Internationalen Sahara-Festival kunstvoll das nomadische Leben in der Wüste inszeniert. Natürlich für die vielen Zugereisten, sehr wohl aber auch für die Tunesier selbst. So wurde etwa das Festival 2011 spontan zu einem Fest für die Tunesische Revolution.

Die Großeltern Walid Faruks sind noch mit ihren Dromedaren durch die Wüste gezogen, doch gern gesehen ist das bereits unter Tunesiens Gründungspräsident Habib Bourguiba in den 1950er-Jahren nicht mehr gewesen. Modern sollte das Land sein, auf Augenhöhe mit Europa und dem Rest der Welt. Straßen sollte es bekommen, Elektrizität und irgendwann Straßenlaternen selbst in den entferntesten Oasen, weil es sich in einer der Zukunft aufgeschlossenen Republik so gehört. Nomadentum passte da nicht mehr ins Bild, sollte auf Gutenachtgeschichten aus dem Leben der Vorfahren reduziert werden. Bourguiba wollte die Beduinen des Südens sesshaft machen, sie als Bauern und Viehzüchter in den Oasen ansiedeln - und er setzte diesen Plan auch um.

Je mehr aber der Tourismus auch Richtung Oasen ins Rollen kam, desto mehr Märchen musste wieder her - Dromedare mit prächtigen Satteln, Beduinen in weiten Umhängen, im Idealfall mit Gesichtszügen, die die Würde der Wüste spiegeln, mit einem Augenausdruck voller Geheimnisse. Das jedenfalls sind die, die heute die besten Geschäfte machen, weil sie am besten ins Bild passen und Sahara-Romantik transportieren.

Zwei Onkel von Walid spielen auf diese Weise Vergangenheit, verbringen die Tage mit ihren herausgeputzten Dromedaren am Rand der Oase Douz und warten auf die Landrover und Busse mit den Touristen. Sie lassen ihre Tiere für die Fremden niederknien, wandern mit den unerfahrenen Reitern im Sattel, eine halbe Stunde, manchmal eine Stunde lang durch die Dünen und lassen sie ein bisschen vom Damals spüren. Den Onkeln geht es wie Walid: Sie tun es gerne, können sich keinen besseren Job vorstellen als den dort draußen in den Dünen, im Meer der winzigen Körnchen. Nach Feierabend hocken sie mit Freunden und Zunftkollegen zwischen den Palmen der Haine, palavern, lachen, singen am Lagerfeuer - oder machen es sich in den Straßen in einem der Cafés mit Fernseher gemütlich und schauen eine Fußballübertragung. "Hier existieren beide Zeiten nebeneinander", sagt Walid Faruk. "Wir haben Vergangenheit, wir haben Gegenwart. Und manchmal können wir uns nicht genau entscheiden, wo wir hingehören."

Zurück in der Zukunft

Sogar Zukunft hat es in Südtunesien schon gegeben - immer wieder für ein paar Wochen, wenn George Lucas hier war und vor seinen Kameras im Sand Krieg der Sterne spielen ließ. Diese Star Wars-Kulissen sind stehengeblieben und über die Jahre unbeabsichtigt zur Attraktion geworden. Der Wind nagt inzwischen an den Relikten aus Kleister und Farbe, aus Holz und Pappmaché, scheuert wie Sandpapier an den Fassaden, die eigentlich nur ein paar Wochen halten sollten. "Bahhr bela mar" nannten die Beduinen diese Landschaft hier draußen - "Meer ohne Wasser".

Über den Tag verteilt rumpeln ein paar Dutzend Landrover ins filmische Alderan-Sternensystem 30 Kilometer außerhalb von Tozeur, eine knappe Geländewagen-Fahrtstunde von Walids Rezeptionstresen. Sie klettern die Verwehungen empor, tanzen über Schlaglöcher im Sand, springen über die Dünenkämme, schlittern im Körnchenmeer talwärts, machen die Fahrt durchs Weltall zum Urlaubsabenteuer für die Insassen: eine Achterbahnfahrt ohne Schienen. Am Ende knipsen sich die Urlauber gegenseitig im Hinterhof der Skywalkers vor einem zurückgelassenen Roboter. (Helge Sobik, DER STANARD, Album, 24.11.2012)