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Ein Demonstrant jubelt vor brennenden Gegenständen aus einem geplünderten Büro der Muslimbrüderschaft in Alexandria. Die Opposition wirf Morsi einen Coup vor, in Kairo gab es Straßenschlachten.

Foto: Reuters

Während vielerorts die Richter streikten, bemühte sich die Opposition, ihre Reihen im Kampf gegen Präsident Morsi zu schließen. Beide Seiten riefen zu weiteren Demonstrationen auf.

 

Die Richter bilden in Ägypten die Speerspitze im Kampf gegen Präsident Mohammed Morsi, der sich am Donnerstag mittels einer Verfassungserklärung über die Justiz gestellt hatte. Sie riefen einen Streik aus, der am Sonntag in mehreren Städten, darunter Kairo und Alexandria, befolgt wurde. Aber es gab viele Orte, wo die örtlichen Richter ganz normal ihrer Arbeit nachgingen. Wie das ganze Land ist auch die Justiz gespalten.

Die Koalition der "Richter Ägyptens" zum Beispiel unterstützt Morsis Einführung einer außerordentlichen "Revolutionsjustiz" unter dem neuen Generalstaatsanwalt. Im Laufe des Transformationsprozesses hatten die Muslimbrüder eine solche Revolutionsjustiz allerdings immer abgelehnt. Morsis Gegner fragen sich deshalb, weshalb der Sinneswandel erst jetzt kommt, da die Islamisten an der Macht sind. Mohammed al-Awa, der Präsidentenberater für Übergangsjustiz, ist aus Protest zurückgetreten.

Dutzende politische Parteien und Gruppierungen aus dem säkularen und linken Spektrum haben am Samstag die "Nationale Front" gegründet, um gemeinsam gegen Morsis Machtexpansion zu kämpfen. Ihr gehören die wichtigsten Köpfe der Opposition an, darunter mehrere ehemalige Präsidentschaftskandidaten wie Hamdin Sabbahi, Amr Mussa, Abdel Moneim Abul Futuh und Mohamed ElBaradei. Die Front macht sich zwar für einen nationalen Dialog stark, stellt aber zur Bedingung, dass Morsi seine Dekrete zuerst zurückzieht. Sie hat auch die Übergriffe auf Büros der Partei der Muslimbrüder scharf verurteilt.

Der Präsident als "Diktator"

ElBaradei, Friedensnobelpreisträger und Ex-Chef der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, nannte Morsi einen "Diktator", der die Machtfülle eines Pharaos habe und mit dem ein Dialog unmöglich sei. Zuvor hatte ElBaradei den Willen zur Einigung der Opposition unter seiner Führung signalisiert. Der 70-Jährige warnte vor einer weiteren Eskalation der Lage in seinem Heimatland: "Wenn die gemäßigten Kräfte keine Stimme mehr haben, dann droht ein Bürgerkrieg."

Die Lage ist angespannt. Beide Seiten haben ihre Anhänger erneut auf die Straße gerufen, um ihren Argumenten Nachdruck zu verleihen. Die unabhängige Tageszeitung al-Shorouq warf beiden Lagern in einem Kommentar vor, sie würden revolutionäre und autokratische Konzepte verfechten, weil sie alle nach Macht streben würden. Die Islamisten wollen am Sonntag und Dienstag vor einem der Präsidentenpaläste in Kairo demonstrieren. Die Opposition plant ebenfalls für Dienstag einen Millionenmarsch auf dem Tahrir-Platz.

Eben noch für seine Gaza-Vermittlung gefeiert, muss sich der ägyptische Präsident jetzt harsche Kritik aus den USA und Europa gefallen lassen. UN-Menschenrechtskommissarin Navanethem Pillay äußerte sich sehr besorgt über die Entwicklungen.

Mit einem heftigen Kurseinbruch reagierte die Börse in Kairo auf die Eskalation des Machtkampfes zwischen Islamisten und säkularen Gruppen. Der wichtigste Börsenindex verlor 9,6 Prozent. Händler sprachen von einem schwarzen Sonntag. (Astrid Frefel aus Kairo /DER STANDARD, 25.11.2012)