Doha/Wien - Gastgeber Katar hat zur Eröffnung des UN-Klimagipfels in der Hauptstadt Doha alle 193 Teilnehmerstaaten dringend zur Zusammenarbeit aufgerufen. "Vor uns liegt eine goldene Chance. Wir müssen sie nutzen", sagte der Vizepremier des Golfstaates, Abdullah bin Hamad Al-Attiyah, zur Eröffnung der zweiwöchigen Konferenz am Montag. Der Klimawandel sei eine gemeinsame Herausforderung aller Staaten. Doch die Fronten scheinen sich zu Beginn der Konferenz nicht verändert zu haben. 

Dieses Jahr läuft das Kyoto-Protokoll von 1997 aus - das einzige globale Klimaabkommen, das verbindliche Vorgaben für die Emission von Treibhausgasen macht. Bis zum 7. Dezember haben die Konferenzteilnehmer nun Zeit, ein neues Abkommen zu unterzeichnen. Auf dem UN-Klimagipfel im südafrikanischen Durban war vor rund einem Jahr ein Fahrplan für ein Nachfolgeabkommen beschlossen worden. Demnach soll bis zum Jahr 2015 ein neuer Vertrag ausgehandelt werden, der ab dem Jahr 2020 wirksam werden soll.

"Besondere Rolle"

Geopolitisch komme dieser Klimakonferenz eine ganz besondere Rolle zu, sagte die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres. Erstmals finden die Verhandlungen in einem arabischen Land statt. Damit biete sich der Golf-Region eine unvergleichliche Weltbühne, um ihr Energiewachstum nachhaltiger zu gestalten und eine stärkere und sicherere Energieversorgung für alle Staaten auf den Weg zu bringen.

Das Gas- und Ölland Katar hat den höchsten Pro-Kopf-Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit. "Wir sollten uns aber nicht auf die Pro-Kopf-Emissionen konzentrieren", sagte Al-Attiyah bei einer Pressekonferenz. Vielmehr gehe es um die Gesamtemissionen einzelner Länder, sagte er und verwies auf nationale Klimabemühungen Katars, etwa bei der Solarenergie und der Forschung zur CO2-Abscheidung. "Wir glauben daran, dass Technologie die Probleme lösen wird." Katar sei der richtige Ort für die Klimaverhandlungen.

Hoffnung auf progressive Spitze

Klimaschützer äußerten zu Beginn der Verhandlungen die Hoffnung, dass die kleine Golfmonarchie aus der Konferenz als Spitze einer regionalen Allianz progressiver Länder hervorgehen würde. Dazu gehörten etwa die Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten, sagte Thomas Hirsch von Brot für die Welt. Saudi-Arabien blockiere bisher. Katar spielt bei der Lösung politischer Konflikte in der arabischen Welt zunehmend eine Schlüsselrolle.

Das Emirat ist aber nicht nur Klimasünder. Es ist selbst vom Klimawandel bedroht: Der durch die Erderwärmung ansteigende Meeresspiegel gefährdet die niedrig gelegenen Küstenstreifen. Außerdem ist das von einer Wüstenlandschaft geprägte Emirat von Nahrungsimporten abhängig. "Wir machen das nicht, um zu zeigen, dass wir die Guten sind", sagte Al-Attiyah mit Blick auf die Klimakonferenz. "Wir machen es für unser Land." In zwei Wochen will Katar einen Erfolg vermelden und kündigt schon jetzt einen "Wendepunkt in den Verhandlungen über den Klimawandel" an.

Offenbar unveränderte Positionen

Doch die Positionen der Länder scheinen sich zum Beginn der Konferenz nicht geändert zu haben. Bei der Frage nach der Verantwortung der USA bei der Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen verwies der Vertreter aus Washington auf die Verantwortung aller Staaten - und sprach von "wichtigen neuen Akteuren". Die USA seien für weniger als 20 Prozent der weltweiten Emission verantwortlich, Spitzenreiter sei China mit über 25 Prozent.

China rief dagegen die Industriestaaten auf, eine Vorreiterrolle bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes einzunehmen. "Wir haben bereits ehrgeizige Schritte ergriffen, um die Emissionen zu senken", sagte ein Vertreter der chinesischen Delegation. Von der neuen Führung in Peking wird keine andere Klimapolitik erwartet als bisher. Das bevölkerungsreichste Land stützt sich zu zwei Drittel auf Kohle. Gleichzeitig aber investiert es weltweit am meisten in erneuerbare Energien. Die Organisation Oxfam warnte, die Klimakonferenz drohe ein Flop zu werden, wenn nicht höhere Klimaschutz-Ziele auf den Tisch kämen.

Die Staaten haben bereits beschlossen, mit ihrer Klimapolitik dafür zu sorgen, dass die Erde sich um maximal zwei Grad erwärmt. Das sehen Wissenschaftler als gerade noch beherrschbar. Jüngste Berichte aber zeigen, dass die Welt dank steigender CO2-Emissionen eher auf bis zu vier Grad bis zum Jahr 2100 zusteuert. Um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen, bedürfe es eines "drastischen Richtungswechsels in der Klimapolitik aller Länder", teilte die Umweltorganisation Greenpeace mit. Figueres erhöhte den Handlungsdruck auf die Industriestaaten, indem sie sagte: "Wir haben die Gelder dafür, wir haben die Technologie."

Die österreichische Perspektive

Umweltminister Nikolaus Berlakovich hatte im Vorfeld noch einmal die österreichische Position unterstrichen: "Wir sind bereit, unseren Beitrag für den weltweiten Klimaschutz zu leisten. Aber weder Österreich noch die EU können das Problem alleine bewältigen", sagte er in einer Stellungnahme. Diese Haltung teilte auch die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner. Doch ansonsten gab es einige Kritik an der österreichischen Umweltpolitik.

"Am Ende der Kyoto-Verpflichtungsperiode emittieren wir um über acht Prozent mehr Kohlendioxid als noch 1990, anstatt 13 Prozent weniger, so wie wir es eigentlich in Kyoto versprochen hatten", sagte Brunner. Sie kritisierte, dass Österreich stattdessen "Verschmutzungsrechte" gekauft hat, um die Verpflichtungen zu erfüllen. Ebenso wurde die Umsetzung des vor einem Jahr beschlossenen Klimaschutzgesetzes gefordert und die Kürzung des Umwelt- und Klimabudgets bemängelt.

Für Doha selbst sah Brunner unter anderem eine große Gefahr in der Übertragung von bisher nicht genutzten Emissionsrechten von osteuropäischen Staaten wie Russland in die zweite Verpflichtungsperiode von Kyoto. Dies würde eine Emissionszunahme um 2,6 Prozent gegenüber 1990 ermöglichen. Ein Zeitplan für das Welt-Klimaabkommen bis 2015 wurde ebenso eingemahnt, wie eine konkrete Festlegung der Klimafinanzierung der Entwicklungsländer. 

Soziale Aspekte

Im Mittelpunkt der Verhandlungen müssten "die ärmsten und verwundbarsten Menschen" stehen, sagte der Generalsekretär von Caritas Internationalis, Michel Roy, in einer Stellungnahme. In Sachen Klimafinanzierung meldete sich auch die "Allianz für Klimagerechtigkeit": "Unabhängig vom Verteilungsschlüssel unter den EU-Staaten muss der 'Klimasünder' Österreich mindestens 80 Millionen Euro jährlich für den internationalen Klimaschutz und die Bewältigung der globalen Folgen des Klimawandels auf den Tisch legen", so die 23 österreichischen Entwicklungshilfe-, Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen.

"Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern eine vage Zusage von 100 Milliarden Dollar jährlich ab dem Jahr 2020 gemacht. Jetzt müssen sie beweisen, dass dies nicht bloßes Verhandlungskalkül war", so Herbert Wasserbauer von der Dreikönigsaktion. Die 2009 in Kopenhagen versprochene "Anschubfinanzierung" würde heuer auslaufen, wodurch es notwendig wäre, diese in Doha erneut verbindlich zu verlängern.

Skepsis bei NGOs

Johannes Wahlmüller, Klimasprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000, sieht die EU-Staaten gefordert, ihre Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten. "Die Entwicklungsstaaten erwarten von der EU, dass sie ihre Versprechen einhält", sagte er unter Hinweis auf die im Vorjahr geschaffene "Durban Plattform". Innerhalb der EU gilt es mit dem im Vorfeld noch ungelösten Problem "Emissionshandel" eine große Hürde zu nehmen. Laut Wahlmüller, dem einzigen Delegationsvertreter heimischer NGOs bei der Klimakonferenz, ist nicht geklärt, was mit den überschüssigen Emissionsgutschriften in Osteuropa geschehen soll.

Wird von den EU-Staaten wie erwartet ein Kyoto-Folgeabkommen unterzeichnet, kann dies im Negativfall zu einer Verwässerung der Klimaziele führen, fürchtete Wahlmüller: "Wenn es die EU-Staaten nicht schaffen, eine klare gemeinsame Position zur Problematik 'Überschuss-Zertifikation' zu finden, läuft sie daher Gefahr, ihre Bedeutung und positive Rolle zu verlieren."

"Vor allem Russland wurde in Kyoto 1997 sehr großzügig mit Verschmutzungsrechten bedacht, die es gar nicht gebraucht hat. Diese will Russland jetzt neu am Markt verkaufen. Insgesamt geht es um mehr als zehn Gigatonnen Kohlendioxid, die dadurch in den nächsten Jahren zusätzlich in die Atmosphäre geblasen werden könnten. Das sollte in Doha verhindert werden", sagte der Klimachef von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser zu dieser Problematik.

Greenpeace warnt vor "Vier-Grad-Plus-Welt"

Die Erwartungen von Greenpeace Österreich sind niedrig, gemessen an den notwendigen Schritten, die von der Weltgemeinschaft zur Eindämmung des Klimawandels getroffen werden müssen. In einer Aussendung verwies die Umweltorganisation auf die im Vorfeld veröffentlichten Berichte der Weltbank, des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Europäischen Umweltorganisation (EEA). "Die Weltgemeinschaft ist zumindest auf wissenschaftlicher Ebene einig, dass die Bekämpfung des Klimawandels ambitionierte Ziele braucht. Die Kernbotschaft der Berichte von Weltbank, UNEP und EEA, den Ausstoß von CO2 massiv einzudämmen, darf nicht länger ignoriert werden", sagte Greenpeace-Klimasprecherin Julia Kerschbaumsteiner.

"Wenn die Verhandlungen in Doha scheitern, droht uns eine 'Vier-Grad-Plus-Welt'." - So warnte die Umweltorganisation WWF in einer Aussendung und forderte in dieser unter anderem eine Besteuerung der Flug- und Schiffsemissionen: "Bis 2020 müssen jährlich 100 Milliarden US-Dollar im Grünen Klimafonds für die Reduktion der Treibhausgase und die Anpassung an die verheerenden Folgen der Erderwärmung in Entwicklungsländern bereit stehen." (APA/red, derStandard.at, 26.11.2012)