Tausende Helfer, Millionen Besucher: Im Sommer 1995 war der nach einer Idee des Künstlerpaars Christo und Jeanne-Claude verhüllte Reichstag in Berlin eine der meistfotografierten Attraktionen.

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Wien - Es war in den wilden 70er-Jahren, irgendwo auf dem Land. Was Kinder wie Jugendliche unter anderem bewegte, war die Frage: Was ziehe ich im Fasching an?

Kurz nach der Ölkrise waren arabische Scheichs gern kopierte, da vergleichsweise einfach nachzustellende Vorlagen. Einige Mädchen gingen als Prinzessinnen, manche Burschen schmierten sich Schuhcreme ins Gesicht, trugen Ritterrüstung oder schlüpften in ein Indianerkostüm. Uns war das zu fad. Dann die rettende Idee: "Gehen wir als Klopapierrollen."

Weniger lustige Verpackungen

Gesagt, getan. Acht bis zehn WC-Rollen pro Kind gingen bei der Kostümierung wohl drauf. Wir hatten zwar mehr Ähnlichkeit mit Mumien als mit wandelndem Klopapier; Spaß hat es trotzdem gemacht. Im Nachhinein betrachtet: eine lässliche Kindheitssünde.

Es gibt freilich andere Verpackungen, die weniger lustig sind. In diese Kategorie fällt alles, was mit Plastik zu tun hat. Vieles landet irgendwann, irgendwo im Meer.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat den jährlichen Zuwachs an Plastikmüll in den Ozeanen auf 6,4 Millionen (von insgesamt produzierten 240 Millionen Tonnen) geschätzt. Auf jedem Quadratkilometer Wasseroberfläche treiben bis zu 18.000 Plastikteile unterschiedlicher Größe. Diese machen nur 15 Prozent des Mülls aus; gut 70 Prozent sinkt auf den Meeresboden, weitere 15 Prozent werden an die Strände gespült.

Ökologische Verpackungen

Verbundstoff zersetzt sich im Meer nur langsam. Selbst in Mägen von Vögeln und Fischen findet sich immer wieder Plastik.

"Es gibt immer mehr Hersteller, die sich bemühen, Verpackungen ökologischer zu gestalten - ein schwieriges Unterfangen", weiß der Verpackungsexperte des Öko-Instituts in Berlin, Günter Dehoust. Einerseits sei ein Trend zu weniger Materialverbrauch und möglichst recyclingfähigen Verpackungen zu beobachten. Andererseits sei gerade das ein Problem. "Zum Sparen von Material benutzt man häufig komplizierte Verbundmaterialien, die leichter sind, aber schwerer zu recyceln", sagte Dehoust dem Standard.

Problematisch seien auch die gerade in der Ökoszene beliebten Joghurtbecher mit innen Kunststoff und außen Pappe. "Fakt ist, dass die wenigsten diese angeblich händisch trennbaren Verpackungen auch wirklich trennen. Der Kunststoff landet bei der Pappe, wo er nichts zu suchen hat."

Kunstverpackung

Mit anderen Formen von Verpackung hat das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude experimentiert. Sie verhüllten eine Insel da, einen Park dort und ermöglichten so einen neuen Blick auf die Welt.

Keine Aktion war allerdings so spektakulär wie die Verhüllung des Berliner Reichstags 1995. Dafür wurden 100.000 m2 feuerfestes, aluminiumbedampftes Polypropylengewebe verwendet. Zudem kamen 15.600 Meter Seil und 200 Tonnen Stahlträger zum Einsatz.

Die Aktion, die sich über 14 Tage hinzog, lockte insgesamt fünf Millionen Besucher an. Nach dem Abbau wurde das Material, mit dem der Reichstag verhüllt worden war, recycelt.

Kunststoffe sind nicht nur böse

So problematisch Kunststoffverpackungen sind, wenn sie aus dem Sammelkreislauf fallen, so begrüßenswert sind sie aus Klimasicht. Das zeigt eine Studie, die von der Beratungsfirma Denkstatt im Vorjahr durchgeführt wurde.

Kunststoffe ermöglichten ressourceneffiziente Verpackungslösungen, die zu deutlichen Einsparungen an Energie und Treibhausgasen führten. Weniger Materialverbrauch bedeutet laut Studie einen geringeren Energieeinsatz pro Einheit. Die Substitution von Kunststoffverpackungen durch Alternativmaterialien würde umgekehrt in den meisten Fällen den Energieverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen ankurbeln.

Weniger Energie

Berücksichtigt wurde in der Untersuchung unter anderem, dass PET-Flaschen weniger Platz auf Lkws einnehmen als Glasflaschen und dass folglich weniger Lkws für die gleiche Menge Getränke fahren müssen. Vorteile wie längere Haltbarkeit von kunststoffverpackten Lebensmitteln, damit auch ein reduzierter Energieeinsatz drehen die Bilanz weiter ins Positive. PET findet auch der Verpackungsexperte des Öko-Instituts okay, solange es um Flaschen geht. Problematischer sei der Einsatz von PET bei Tiefkühlprodukten. PET-Schalen würden gar nicht erst aussortiert und landeten meist in der Verbrennung.

Welchen Trends folgt die Verpackungsbranche global? Nach einer Analyse von PriceWaterhouseCoopers (PwC) wird es "internationaler, grüner, innovativer".

Die einschlägigen Unternehmen expandieren laut der PwC-Studie zunehmend in Schwellenländer. Grund: Sie wollen vom Wirtschaftswachstum und der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung dort profitieren. Um im Wettbewerb mit regionalen Anbietern von Verpackungsmaterial bestehen zu können, müssen sie innovative Produkte entwickeln. Nachhaltigkeit ist dabei ein zunehmend wichtiger Faktor.

Fragmentierter Markt

Deutschland ist mit einem Gesamtvolumen von gut 22 Mrd. Euro der viertgrößte Verpackungsmarkt der Welt. Resteuropa, USA und Japan sind weitere wichtige Märkte. Anbieter von Verpackungsmaterial zieht es vermehrt in die Schwellenländer und da vor allem nach Indien und China.

Für die Jahre 2010 bis 2014 rechnet die World Packaging Organisation mit einer jährlichen Wachstumsrate bei Verpackungsmaterialien von durchschnittlich sechs Prozent. Noch sei der Markt fragmentiert. Allein in Deutschland gibt es gut 900 Verpackungsanbieter. Das werde sich ändern, Zusammenschlüsse würden zunehmen, sind sich die Experten von PwC einig. (Günther Strobl, ÖKO-STANDARD, 24./25.11.2012)