Egon Schiele: "Liebespaar (Selbstdarstellung mit Wally)" entstand um 1914/15, kurz bevor sich Schiele von Wally trennte und Edith ehelichte. Das Aquarell stammt aus dem Bestand des Leopold Museums und soll bei Sotheby's in London (5.2.2013) zwischen 6,5 und 8,5 Mio. Pfund (8-10,6 Mio. Euro) einspielen.

Foto: Sotheby's

Die Schiele-Zeichnung "Am Rücken liegendes Mädchen mit überkreuzten Armen und Beinen" (870.000-1,2 Mio. Euro) entstand 1918 und dient dem Leopold-Museum ebenso zur Finanzierung der im Juni 2012 vermeldeten Einigung mit den Erben nach Jenny Steiner (zu "Häuser am Meer").

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"Selbstdarstellung in grünem Hemd mit geschlossenen Augen" (2,2-3 Mio. Euro) aus dem Jahr 1914 ist eines der besonders qualitätsvollen Selbstporträts des Künstlers und wird im Auftrag des Leopold Museums versteigert.

Foto: Sotheby's

Dafür trennt man sich jetzt via Sotheby's London von drei Arbeiten der obersten Güteklasse.

Ein Elend sei das, hatte sich Sektionschef Fischer am Rande eines Mittagessens über seinen Sohn beschwert. Fußball, den Heinzi interessiere einfach nur Fußball, wiewohl er der Schule doch mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. Dem sei irgendwie nicht beizukommen. Nun, konterte sein Kollege Leopold, sein Rudolf sammle dafür so schreckliche Bilder. Dagegen helfe auch nichts.

Etwa Ende der 1940er, vielleicht auch Anfang der 50er-Jahre, erzählt Elisabeth Leopold, habe sich diese Episode zugetragen. Bezeichnend, nicht wahr? Selbst in der Familie wäre seine Leidenschaft für Arbeiten Egon Schieles wie eine Bombe eingeschlagen. Verständnis gab es dafür keines, allenfalls Duldung. Die Pionierleistung sollte erst Jahrzehnte später Anerkennung finden.

Als Rudolf Haybach von der Witwe Heinrich Böhler den Auftrag erhielt, für die in ihrem Besitz befindlichen Gemälde Egon Schieles einen Käufer zu finden, wandte sich der damalige Generalsekretär der Secession postwendend an den "verrückten jungen Sammler". Je 5000 bis 9000 Schilling sollten die Werke kosten, nebst zehn Prozent Vermittlungsprovision. Viel Geld, sehr viel Geld für die beiden Studenten Elisabeth und Rudolf. Man telefonierte einige Male mit Mabel Böhler, die ihrerseits auch noch mehr als 40 Arbeiten auf Papier erwähnte.

Im Jänner 1952 läutete es eines Tages plötzlich in Grinzing an der Tür. Davor stand die aus Lugano angereiste Haushälterin mit dem Packen Zeichnungen: Die Frau Böhler lässt fragen, ob sie das auch kaufen möchten. Man wollte. Ein unvergleichlicher Glücksfall, resümiert Elisabeth Leopold noch Jahre später, der ihr zudem die allererste Auslandsreise bescherte.

Tarzan Leopold

Im Sommer war das damals noch unverheiratete Pärchen also in den Tessin gepilgert. Um Hotelkosten zu sparen, hatten sie sich bei der Böhler-Witwe einquartiert. Für "Rudolfi" seien diese Tage eine Wonne gewesen. Nach bestandener Pharmakologieprüfung habe er auf einem Diwan unter einer Klimt-Landschaft ausspannen können. Der Blick auf den Luganer See und die Berge, herrlich. Heiß war es, und er sei halt mit nacktem Oberkörper in der Villa umherspaziert. Da sei Mabel Böhler irgendwann explodiert: "Ich halte das nicht aus", kreischte sie, "ewig kommt mir da dieser Tarzan entgegen!"

Also zogen Elisabeth und Leopold doch in ein Hotel, und der Deal fand bald danach trotzdem einen Abschluss. Man reiste ab, und die kostbare Fracht von fünf Schiele-Gemälden zog mit einer Spedition hinterher. 60 Sommer später steht nun ein anderes Paar im Mittelpunkt der Geschehnisse. Und um Liebe geht es dabei auch, in mehrerlei Hinsicht.

Aus jenem Böhler-Konvolut stammt ein 1914/15 datiertes Blatt (Kallir No. 1784), in dem sich Schiele mit Wally Neuziel verewigte. Einige Monate danach war deren Verhältnis Geschichte und Edith die offizielle Frau an Egons Seite. Eine fabelhafte Komposition, diese Menschensäule, wunderbar, sinniert Elisabeth Leopold und nimmt dennoch eine Trennung in Kauf.

Attraktive Trias

Zusammen mit einer Gouache (Selbstdarstellung in grünem Hemd, 1914; Kallir No. 1655) und einer Zeichnung (Am Rücken liegendes Mädchen, 1918; Kallir No. 2419) gelangt dieses Aquarell am 5. Februar 2013 bei Sotheby' s in London zur Auktion. Das Weltrekordbild Häuser mit bunter Wäsche (Sotheby's London, Juni 2011: 27,63 Mio. Euro) hatte die Refinanzierung des Wally-Deals (Bondi-Jaray-Einigung, Juli 2010) ermöglicht, Ähnliches ist nun dieser neun bis zwölf Millionen Pfund schweren Trias bestimmt.

Zur Kompensation der Häuser am Meer-Einigung mit den Erben nach Jenny Steiner im Juni, bestätigt Tobias Natter, auf Basis eines Gutachtens rechtens, versichert Peter Weinhäupl. Mit Sorgfalt ausgewählt, ohne den substanziellen Kern der Sammlung zu gefährden, und vom Bundesdenkmalamt abgesegnet, bekräftigen der museologische und der kaufmännische Direktor des Leopold-Museums unisono. Eine allerletzte Liebesgabe, betont Elisabeth Leopold.

Um die für die internationale Sammlerklientel aus kunsthistorischer Perspektive aufgrund der unterschiedlichen Motive und Werkphasen besonders attraktive Dreiheit hatte natürlich nicht nur Sotheby's gerittert. "Wir sind mit niemandem verheiratet", erklärt Tobias Natter, " und haben uns also völlig leidenschaftslos für den Bestbieter entschieden". Abzüge für Katalogbearbeitung oder Verkäuferprovision waren ohnedies kein Thema, eine 1:1-Überweisung des Hammerpreises (exkl. Käuferprovision) gesichert. Christie's dürfte wohl zusätzlich mit einer Garantie gewinkt haben, Sotheby's konnte dagegen bereits ein verbindliches Gebot vorweisen, das dem Museum den unteren Schätzwert von elf Millionen Euro garantiert. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 24./25.11.2012)