Graz ist unberechenbar. Es gibt eine hohe Dichte an Burschenschaften, eine aktive rechtsextreme Szene, aber eine stagnierende FPÖ und Kommunisten in der Stadtregierung. Es gab schwarze, rote und blaue Bürgermeister und eine grüne Vizebürgermeisterin. Diese Mischung aus Bürgertum, linker Kulturszene und Studierenden, die ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, probiert auch gerne Neues aus. Den Piraten könnte das nützen.
Auch ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl ist unberechenbar: Einerseits ein rechtskonservativer Katholik, der die Stadt mit Verboten überzog. Andererseits gab er sich mit der - mittlerweile verschmähten - grünen Koalitionspartnerin Lisa Rücker einen liberalen Anstrich.
Nagl ist in seinem dritten Wohlfühl-Wahlkampf: Auf seinen Plakaten posiert er wie ein H&M-Model oder liegt lässig mit multikulturellen Grazern am Boden. Mit rosa Logos, absolut rassismusfrei und ohne Angstmache.
Wenn er Stadtchef bleiben will, braucht er aber einen Partner. Sein Verhältnis zu Mario Eustacchio (FPÖ), den Nagl zuletzt wegen seiner Kontakte zu Rechtsextremen angriff, ist eisig. Martina Schröck, seit 2008 siebente Parteichefin, die den SPÖ-Sinkflug zu stoppen versucht, könnte dankbar für ein Angebot sein. Doch Schwarz-Rot hatte Nagl abgeschworen. Bleibt KPÖ-Stadträtin Elke Kahr, die im Umfragehoch liegt. Das wäre die nächste Überraschung: Don Camillo und Peppina in Swing-City. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 23.11.2012)