Milena Michiko Flasar.

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Wien - Am Anfang ist das Ende, die Erinnerung. Der Andere ist nicht mehr da, im Park, auf der Bank, wo der junge Ich-Erzähler ihn zum ersten Mal gesehen hat.

So beginnt der Roman von Milena Michiko Flasar Ich nannte ihn Krawatte; das sind auch die erste Worte, sie charakterisieren diesen Anderen. Die Krawatte als Zeichen der Gebundenheit und der Anpassung an Leistungsdruck im Büro, in Japan. Er hat den Job verloren, nun sitzt er da, vertraut sich langsam dem um fast 30 Jahre Jüngeren auf der Parkbank an, der sich auf seine Weise aus dem Alltag zurückgezogen hat.

Aus dieser Konstellation entwickelt Flasar die Geschichte einer Beziehung, die zugleich eine Gesellschaft beleuchtet und die Spuren sucht, die Menschen, Traumata, Erinnerungen hinterlassen. Ein Frage- und Antwortspiel, wie traumtänzerisch und dabei sehr präzise in 114 kurzen Kapiteln erzählt. Zum Schluss ist der Erzähler wieder bei seiner Familie, aus der er geflohen ist. Offen bleibt, ob er, ob irgendwer damit zu einem Abschluss, zur Ruhe kommt. Ganz am Ende steht "Anfang".   (Michael Freund, DER STANDARD, 23.11.2012)