Bisher hatten Engländer durchaus Vergnügen an ihrer anglikanischen Staatskirche. Die große Mehrheit erfreute sich an den bunten Messgewändern bei hohen staatlichen Festtagen und Königshochzeiten, schaute aber auf die Frage nach der Religion eher betreten zur Seite. "Church of England" stand als Chiffre für "irgendwie gläubig, aber nicht zu sehr".

Unter den Kirchgängern schwenkten die einen das Weihrauchfass, beteten für Papst Benedikt und waren auch sonst mindestens so katholisch wie die Katholiken. Die anderen sangen Rockmusik, wedelten dabei wild mit den Armen und waren auch sonst mindestens so fromm wie die lustigsten Splitterkirchen Amerikas. Basierend auf einem gemeinsamen Gebetsbuch tolerierte man sich, Kompromissbereitschaft galt als Synonym für das Anglikanertum.

Aus, vorbei. Der weltweite Vormarsch religiös inspirierter Intoleranz macht auch vor der Insel nicht halt. Die Gleichberechtigung treibt einen Keil zwischen die Gläubigen. Obwohl die überwältigende Mehrheit endlich auch Frauen den Weg ins Bischofsamt ebnen wollte, brachte eine fanatische Minderheit den fein ziselierten Kompromiss zu Fall. Die Amtszeit des höchsten Anglikaners, Rowan Williams, endet mit einer Demütigung. Sein Nachfolger als Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ist schwer beschädigt, ehe er sein Amt überhaupt antritt. Und die Anglikaner rutschen kompromisslos in die Irrelevanz. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 22.11.2012)