Wünsche einfrieren: Die Reproduktionsmedizin plädiert für Eizell-Banking. Profitieren sollen Frauen, die ab 38 Jahren Mütter werden wollen.

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Es gibt viele plausible Gründe, im Moment gerade nicht schwanger werden zu wollen. Vielleicht ist gerade eine Beziehung gescheitert, und ob es mit dem neuen Partner überhaupt klappt, noch gänzlich ungewiss. Beruf, Karriere oder der Gedanke, weiterhin finanziell unabhängig leben zu können, sind fürs Kinderkriegen ebenfalls kontraproduktiv. Vielleicht ist einem der Wunsch nach einem eigenen Kind auch vergangen, weil die Freundinnen ständig übers Wickeln und Füttern reden und nur mehr dann feiern, wenn sie nach langem wieder mal eine ganze Nacht durchschlafen konnten.

Wie auch immer: Jahre ziehen ins Land, und irgendwie wird das alles schon werden, das denken viele: Bei Nicole Kidman, Sarah Jessica Parker oder Carla Bruni hat es schließlich auch noch lange nach dem 40. Geburtstag geklappt, mit einem Baby. "Das sind unrealistische Einzelfälle, die nichts mit der statistischen Realität zu tun haben", warnt Andreas Obruca, Leiter am Kinderwunschzentrum Goldenes Kreuz in Wien.

Nüchternheit statt Romantik

Elternschaft ist, zumindest aus Sicht der Reproduktionsmedizin, eine statistische Angelegenheit. Am Beginn stehen Untersuchungen: Eierstockreserve, Spermienqualität, Fehlgeburtenrate, Alter der Frau: Darauf kommt es in erster Linie an. Wer sich Hilfe bei Ärzten holt, für den ist eine Schwangerschaft nicht mehr das Ergebnis einer atemlos-romantischen Liebesnacht, sondern eine ziemlich nüchterne Angelegenheit, bei der es um genaue Planung geht. 

"Ab dem 33. Lebensjahr sinkt die Fertilität, Fehlgeburten nehmen zu, viele meiner Kollegen weisen Frauen einfach nicht deutlich genug auf diese Risikos hin", sagt Obruca. Die Ursache mag daran liegen, dass späte Mutterschaft ein gesellschaftlicher Trend geworden zu sein scheint, der sich auch recht deutlich an Zahlen ablesen lässt. Betrug das durchschnittliche Alter von Frauen 1963 bei der Geburt eines Kindes noch 27,4 Jahre, war es 2011 auf 30 Jahre angestiegen. 2001 waren 14 Prozent aller gebärenden Österreicherinnen älter als 35 Jahre, 2010 waren es schon 20 Prozent.

Weibliche Midlife-Krise?

"Ab 38 Jahren liegt die Fehlgeburtenrate bei 35 Prozent", warnt Obruca, und das sei insofern ein Problem, als Paare, die sich für ein Kind entscheiden, im Durchschnitt sowieso vier bis sechs Monate brauchen, um schwanger zu werden, bei jedem vierten Paar klappt es gar nicht. Wenn Frauen auf die 40 zugehen, kann eine Schwangerschaft so zum Rennen gegen die Zeit werden.

45 Prozent aller Frauen, die ins Kinderwunschzentrum kommen, sind beim Erstkontakt über 38 Jahre alt. Österreichweit gibt es 27 Zentren, die Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch ihre Hilfe anbieten. Warum Frauen um die 40 dann doch noch schwanger werden wollen? "Möglicherweise, weil sie das Gefühl haben, sonst etwas Wichtiges im Leben versäumt zu haben", mutmaßt Obruca. Kinderwunsch als Ausdruck der weiblichen Midlife-Krise? Könnte also schon sein.

Keine Zeit zu verlieren

Ab dem 38. Lebensjahr jedenfalls gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren. Wie viele Eizellen sind noch übrig? Wie viele davon so intakt, um befruchtet werden zu können? Obrucas Kollege Heinz Strohmer zeigt Bilder von Eizellen. Welche davon "gut" und welche "weniger gut" sind, können auch Laien erkennen. Die Eizellen einer 25-Jährigen sind prall, die einer 40-Jährigen sehen irgendwie schwammig aus, "aber auch solche können befruchtet werden", versichert Strohmer. 

Bei unerfülltem Kinderwunsch ist allerdings genauso oft die Spermienqualität der Männer für die Unfruchtbarkeit eines Paares verantwortlich. Männer haben am Kinderwunschzentrum ein eigenes Zimmer mit erotischen Bildern an den Wänden, durch eine Klappe wird das Ejakulat direkt ins Labor zur Untersuchung gereicht.

Baby aus dem Labor

Nach einer Reihe von Tests, Untersuchungen und erfolglosen Versuchen, schwanger zu werden, bleibt die künstliche Befruchtung, die IVF-Behandlung, als letzter Ausweg. Nicht rauchen, nicht trinken, ein gesunder Lebenswandel sind für das genaue Timing Voraussetzung. Für die Gewinnung der Eizellen wird mit Hormonen behandelt.

Dann aber kommt der große Moment: Eizelle und Spermien werden im Labor miteinander verschmolzen, die vielversprechend aussehenden Embryonen dann in die Gebärmutter eingesetzt. Stimulationsoptimierung mit Hormonen, ICSI, PICSI (Physiologische Intracyto-plastische Spermieninjektion), Embryo Glue, Schlüpfhilfe sind Fachbegriffe, mit denen Paare bei dieser Prozedur vertraut gemacht werden. 

Auch über die Risiken einer späten Schwangerschaft, die hohe Fehlgeburtenraten durch Chromosomenanomalien, den Kindstod im Mutterleib in der zweiten Schwangerschaftshälfte oder die Schwangerschaftsvergiftung (Präklampsie) klären Ärzte an Kinderwunschkliniken im Vorfeld auf. 2010 wurden in Österreich 2152 Kinder durch Kinderwunschbehandlung gezeugt, insgesamt kamen 1674 zur Welt. "Diese Zahl ließe sich durch das Einfrieren von Eizellen in jungen Jahren sicherlich drastisch steigern", sagt Reproduktionsmediziner Heinz Strohmer.

Restrisiko bei 30 Prozent

Im Einfrieren von Eizellen, dem sogenannten Eizell-Banking, sieht auchWilfried Feichtinger, Leiter des Wunschbaby-Zentrums in Wien, die Zukunft. Er ist Österreichs Pionier in Sachen Reproduktionsmedizin, war schon 1982 an der Entstehung des ersten IVF-Babys Österreichs dabei. "Es ist uns in den letzten 30 Jahren gelungen, die Behandlung wesentlich zu vereinfachen, allerdings können wir bis heute noch immer nicht wirklich allen Paaren ihren Kinderwunsch erfüllen", gibt sich Feichtinger realistisch.

Für Midlife-Mamas seien die Untersuchungsmethoden der Präimplantationsdiagnostik ebenfalls entscheidend. Derzeit ist die Polkörperanalyse (Analyse der Abfallprodukte der Eizellen nach der Verschmelzung mit der Samenzelle) eine Möglichkeit, chromosomale Störungen zu erkennen. Ein Fehlerrestrisiko von 30 Prozent bleibt. "Für Forschung in diesem Bereich sollte es keine Grenzen geben", sagt Feichtinger, der bislang 6000 Eltern mit High-tech-Methoden zu einem Kind verholfen hat. (Karin Pollack, DER STANDARD, Family, 23.11.2012)