Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll über das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen: "So, wie es jetzt ist, ist es ganz unmöglich."

Foto: Matthias Cremer

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll droht an, das Lager in Traiskirchen mit Monatsende zu sperren, sollten die anderen Bundesländer nicht endlich mehr Asylwerber aufnehmen. Mit Pröll sprach Michael Völker.

STANDARD: Wie viele Personen sind derzeit in Traiskirchen untergebracht, wie ist die Lage?

Pröll: Wir haben jetzt einen Stand von 1432 Asylwerbern im Lager. Davon sind 530 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das ist eine zusätzliche Verschärfung der gesamten Situation. Sie müssen auch sehen, dass zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen große Rivalitäten herrschen, das birgt zusätzlichen Sprengstoff.

STANDARD: Wie sind die Zustände im Lager?

Pröll: Die Zustände im Lager sind unmenschlich. Die Lage ist auch unzumutbar für die Bevölkerung. Die Situation im Lager ist sowohl sicherheitspolizeilich als auch feuerpolizeilich und baubehördlich für niemanden, weder für die Gemeinde noch für das Land, vertretbar.

STANDARD: Wie viele Personen wären im Lager vertretbar?

Pröll: In der Vereinbarung zwischen Innenministerium und dem Land sind 480 Personen festgelegt. Zweifelsohne ist es möglich, in schwierigen Zeiten 100 bis maximal 200 Personen mehr aufzunehmen. Aber das kann kein Dauerzustand sein, und so, wie es jetzt ist, ist es ganz unmöglich. Fast eineinhalbtausend Flüchtlinge, da braucht man gar nicht zu diskutieren, das ist unzumutbar.

STANDARD: Die säumigen Bundesländer haben sich verpflichtet, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und Traiskirchen zu entlasten. Passiert das?

Pröll: Beim Asylgipfel wurden von allen Vertretern der Bundesländer unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers heilige Eide geschworen, ihre Quote zu erfüllen. Wenn sie diese Quoten erfüllen, dann wäre das Hauptproblem in Traiskirchen gelöst. Wir haben bis zur Fallfrist weniger als zehn Tage. Vereinbart wurde, dass bis zum 30. November die Bundesländer ihre Quoten erfüllen. Jetzt höre ich schon aus einer Reihe von Bundesländern die Zwischentöne, dass sie Schwierigkeiten haben, Quartiere aufzutreiben. Es gibt angeblich Schwierigkeiten mit Privatquartieren, angeblich auch Schwierigkeiten mit Kasernen. Ich höre also schon wieder nur Ausflüchte, die befürchten lassen, dass das, was am Asylgipfel vereinbart wurde, in die Ferne geschoben wird. Ich sage Ihnen eines: Niemand darf sich von der Menschlichkeit verabschieden. Jemand, der die Zustände in Traiskirchen sieht und nichts tut, der sündigt wider die Menschlichkeit.

STANDARD: Welche Länder sind denn säumig?

Pröll: Alle Bundesländer mit Ausnahme von Wien und Niederösterreich. Wir haben über Jahrzehnte die Hauptlast getragen. Aufgrund der menschenunwürdigen Zustände in Traiskirchen ist das jetzt nicht mehr tolerierbar.

STANDARD: Was passiert, wenn die Länder ihren Verpflichtungen tatsächlich nicht nachkommen?

Pröll: Zunächst appelliere ich an den Bundeskanzler, das, was am Asylgipfel vereinbart wurde, auf Punkt und Beistrich umzusetzen.

STANDARD: Der ist auch auf die Bundesländer angewiesen.

Pröll: Ja, aber der Bundeskanzler hat auch in Zusammenarbeit mit den Bundesländern für Ordnung zu sorgen. Er hat zum Gipfel geladen. Wir werden von niederösterreichischer Seite das nicht mehr dulden. Ich habe die Behörde bereits beauftragt, sowohl feuerpolizeilich als auch sicherheitspolizeilich und baupolizeilich Verfahren einzuleiten. Aufgrund der Situation werden sich Wege finden, das Lager zu sperren, sollte die Frist ungenützt verstreichen.

STANDARD: Sie wollen allen Ernstes anordnen, das Lager zu sperren?

Pröll: Ich würde so sagen: Ich hoffe nicht, dass dieser Schritt notwendig ist, aber wenn die anderen Bundesländer weiterhin so zögerlich sind und der Bundeskanzler nicht die notwendigen Schritte setzt, dann schließe ich das nicht aus. Die Bundesbehörde muss sich im Klaren sein, dass dann niemand mehr in dieses Lager hineinkommt. Da müssen sich die Verantwortlichen den Kopf zerbrechen, wie sie weitertun und wo sie die Leute unterbringen. Wir werden nicht zuschauen, wie Menschenrechte mit Füßen getreten werden. (Michael Völker, DER STANDARD, 21.11.2012)