Plattform-Vorstand: Gregor Gessner (HP), Damian Izdebski (DiTech) und Renata Hrnjak (Samsung) mit der unterzeichneten Resolution

Foto: Jürg Christandl

Die von KünstlerInnen geforderte und geplante Urheberrechtsabgabe stößt nicht bei allen Parteien auf Verständnis. Besonders die Konsumenten fühlen sich zu Unrecht zur Kasse gebeten und können nicht nachvollziehen, warum sie bei Speichermedien mehrmals bezahlen sollen. Das Recht auf die Privatkopie soll dadurch zwar weiter bestehen bleiben, Konsumenten, die noch nie eine Privatkopie gemacht haben, droht aber eine höhere Belastung. Insgesamt werden aktuell 7,9 Millionen Euro pro Jahr mit der Urheberrechtsabgabe eingehoben. Das neue Modell würde allerdings 30 bis 50 Millionen Euro pro Jahr bringen.

Mehrfachbelastung für Konsumenten

Beispielhaft führt die "Plattform für ein modernes Urheberrecht" an, dass für eine Ein-Terabyte-Festplatte 27 Euro Gebühr zuzüglich 20 Prozent Umsatzsteuer anfallen würden, also etwas mehr als 32 Euro. Ein Preis, der durch die immer billiger werdenden Speichermedien sich im höheren zweistelligen Prozentbereich befindet. NutzerInnen, die Musik oder Filme legal erwerben, würden also nochmal zur Kasse gebeten werden. Ein Transfer der gekauften Musik auf einem USB-Stick würde eine weitere Gebühr mit sich ziehen. Ebenfalls das Überspielen auf ein Smartphone oder einen MP3-Player. Die Initiative für ein modernes Urheberrecht fordert deshalb: "Nein zur Handy- und Computersteuer!"

Schulterschluss namhafter Unternehmen

Zwanzig Unternehmen haben sich zusammengeschlossen, um sich gegen die geplante Abgabe einzusetzen. Darunter namhafte Unternehmen wie Apple, Samsung, Sony oder Nokia. Auch Händler wie DiTech oder IT-Distributoren wie Tech Data und Actebis haben sich der Plattform angeschlossen. Die Unternehmen befürchten einen massiven Marktnachteil und einen volkswirtschaftlichen Schaden. Konsumenten würden immer mehr im Ausland kaufen, um die Abgabe zu umgehen. Dem Wirtschaftsstandort Österreich könnte dies nachhaltig zusetzen, auch, weil Österreich besonders in der gut funktionierenden Elektronik-Sparte Steuergelder entgehen könnten. Auch die Wirtschaftskammer ist ein Partner der Initiative. Sie wurde in der Vergangenheit von Künstler-Initiativen immer wieder als "Blockierer" der Abgabe bezeichnet.

Kurzfristige Lösung unerwünscht

Auch die Verbreitung neuer Technologien würde sich dadurch verzögern und Österreich einem Nachteil im internationalen Wettbewerb aussetzen. Die Initiative sieht auch die emotionale Diskussion der KünstlerInnen und der Content-Lieferanten als Hindernis, um zu einer gerechten und fairen Lösung zu kommen. Die Abgabe würde weiters die immer größer werdenden Angebote von Cloud- und Streaming-Diensten nicht beachten, in denen die Zukunft der technischen Entwicklung und des Internets liegt. Es wird also befürchtet, dass es so nur zu einer kurzfristigen Lösung käme, die die Diskussion in wenigen Jahren wieder zum Brodeln brächte. Vor allem müsste man die Diskussion laut den Initiatoren aus dem österreichischen Kontext in einen gesamteuropäischen verlagern, um eine zielführende Lösung für KünstlerInnen und Konsumenten zu finden.

Resolution mit fünf Kernpunkten

Am Mittwoch hat sich die Plattform zusammengefunden, um bei der Generalversammlung eine Resolution mit fünf zentralen Anforderungen zu verabschieden. Plattform-Sprecher und DiTech-Chef Damian Izdebski spricht sich für ein modernes Urheberrecht aus, das "rechtssicher für KonsumentInnen", treffsicher und transparent ist. Anfangs hat sich die Plattform vorgenommen, die "überstürzte Einführung einer umständlichen Handy- und Computersteuer" zu verhindern. Man werde sich gegebenenfalls "flexibel an die politischen Entwicklungen anpassen". Die fünf Punkte umfassen vor allem die unsichere Rechtslage, die unfaire Mehrfachbelastungen überhaupt erst ermöglicht. Vertriebsmodelle für KünstlerInnen, eine europäische Sichtweise, Transparenz und Treffsicherheit werden ebenfalls als Kernpunkte genannt. Der WebStandard hat Vertreter der Plattform nach der Generalversammlung besucht, um zu erfahren, wie es mit der heiß diskutierten Festplattenabgabe weitergehen wird. Neben Izdebski haben sich auch Gregor Gessner von Hewlett-Packard und Brother-Direktor Helmut Pfeifenberger zu den Plänen, Problemen und aktuellen Thematiken der Plattform zu Wort gemeldet.

derStandard.at: Was sagen Sie zur aktuellen Entwicklung und den Forderungen um eine erweiterte Festplattenabgabe?

Izdebski: Was uns in den letzten Wochen und Monaten aufgefallen ist, ist, dass seitens der Künstler eine sehr einseitige Darstellung der Thematik stattfindet. Derjenige, der zur Kasse gebeten wird, nämlich der Konsument, ist nicht wirklich informiert und aufgeklärt. Er ist sich der Auswirkung nicht bewusst, die so eine Abgabe letztendlich haben könnte. Unser Anliegen war es, das Bild zu objektivieren und nicht nur die Sicht des Künstlers darzustellen, der selbstverständlich auch entlohnt werden muss. Wir wollen dem Konsumenten zeigen, was das kostet und dass dies nicht gerecht ist. Es herrschen Unklarheiten, was mit dem Geld passiert. Zudem ist dies kein österreichisches Problem und muss auf europäischer Ebene geklärt werden, weil wir mit diesen Produkten nicht nur auf dem österreichischen Markt bestehen. Wenn Kunden im Ausland bestellen, würde dies eine Verzerrung des Marktes bedeuten.

derStandard.at: Die Künstlerinnen von "Kunst hat Recht" meinten ja, dass "12 bis 15 Euro ohnedies sehr wenig" wären. Wie stehen Sie zu dieser Aussagen?

Izdebski: Wenn die 12 bis 15 Euro auf einen 1000-Euro-PC aufgeschlagen werden, kann man darüber diskutieren. Zunächst muss man sich aber fragen, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, dass diese Geräte besteuert werden. Wenn man 32 Euro aber bei einer Ein-Terabyte-Festplatte aufschlägt, die 60 oder 70 Euro kostet, reden wir über richtig viel Geld. Das wollen wir dem Konsumenten ins Bewusstsein rufen. 

derStandard.at: Die Abgabe wird ja zumeist mit dem Argument des Rechts auf eine Privatkopie argumentiert. Ist dieses Recht auf die Privatkopie überhaupt noch zeitgemäß?

Gessner: Das Recht auf Privatkopie ist wichtig. Die Frage ist nur, wie es abgegolten werden soll. Eine Kassette wurde früher zumeist zur Aufnahme aus dem Radio verwendet. Die Leerkassettenabgabe sollte die Urheber damit entschädigen. Heutzutage werden Speichermedien allerdings anders bespielt. Wenn ich mir in iTunes Musikstücke runterlade, habe ich diese bereits bezahlt. Ein großes Volumen auf meiner Platte sind beispielsweise Fotos von Reisen. Auch Software nimmt einen großen Platz ein. Ob die Abgabe für moderne Speichermedien zeitgemäß ist, ist eine andere Frage.

Izdebski: Die Leerkassettenabgabe war auch gerechtfertigt, weil das Medium für den Zweck der Musikaufnahme genutzt wurde. Auch die Videokassette. Aber da fing das Problem schon an, weil die Videokameras kamen. Das eins zu eins auf die modernen Speichermedien zu übertragen, ist total daneben.

derStandard.at: Software wird ja beispielsweise von den Befürwortern der Abgabe gar nicht behandelt.

Izdebski: Die tun so, als ob die Festplatte nur für urheberrechtlich relevante Themen verwendet wird, was paranoid ist. Inzwischen generieren wir so viel Content selber, was in der Diskussion gar nicht berücksichtigt wird. Ein USB-Stick wird beispielsweise selten als Speichermedium, sondern eher als Transfermedium verwendet. Warum man da eine Abgabe zahlen soll, verstehe ich nicht. Drei Viertel der externen Festplatten werden zu Zwecken des Backups verwendet. Themen wie Cloud werden hier gar nicht behandelt. Ich glaube, dass wir in wenigen Jahren gar nichts mehr auf physischen Medien abspeichern werden. Und dann wird man wieder die Diskussion neu beginnen müssen.

derStandard.at: Im Moment wird ja an einer Urheberrechtsreform gearbeitet, die allerdings hinter verschlossenen Türen stattfindet.

Izdebski: Diese Reformen stoßen ja bei den Konsumenten nicht gerade auf Beliebtheit, da sie ja schlussendlich zur Kasse gebeten werden. Dass man hier nicht probiert, große Informationskampagnen zu starten, um sich eine breite Masse als Gegner aufzubauen, ist klar. Ich glaube, dass die Bemühung, den Konsumenten aufzuklären, minimal gegeben ist. Dies sehen wir im Moment als unsere Aufgabe, weil wir den Konsumenten sagen wollen: "Schau, da hängt Dir jemand zusätzlich 50 Millionen Euro pro Jahr um."

derStandard.at: Was ist eigentlich mit dem Geld, das bereits eingehoben wurde im Rahmen der Festplattenabgabe? Die Künstler-Initiative behauptet ja, dass sie von dem Geld noch nichts gesehen hat.

Izdebski: Sie haben es noch nicht gesehen, weil sie teilweise entweder nicht eingehoben wird oder von den Händlern rückgestellt wird. Der Grund dafür ist, dass die Rechtssituation nicht zu 100 Prozent klar ist. Es wurde bereits in zwei Instanzen gegen die Festplattenabgabe entschieden. 2005 erstmals beim sogenannten Gericom-Prozess. 2010 kam die Verwertungsgesellschaft mit Nutzungsgutachten, denen zufolge auf jedem Computer 4000 urheberrechtlich relevante Dateien zu finden waren. Aus diesem Gutachte hat man eine Abgabe entwickelt. HP hat dann Einspruch eingelegt und sowohl in der ersten als auch zweiten Instanz recht bekommen: Computer werden also nicht ausschließlich für urheberrechtlich relevante Themen genutzt. 

Gessner: Jetzt muss man warten, wie der Europäische Gerichtshof in der Sache Amazon entscheidet. Wie man sieht, ist dies also kein rein österreichisches Thema. Man wird sich überlegen müssen, welche Auswirkungen das auf den Wirtschaftsstandort Österreich haben wird, was wiederum Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben wird. Wichtig ist auch, dass diese Abgabe allein für die rechtmäßige Nutzung zusätzlich eingehoben wird. Das heißt, dass der Kunde mehrfach belastet wird.

derStandard.at: Was werden also die nächsten Schritte der Plattform sein?

Izdebski: Wir haben zunächst die Resolution unterzeichnet, die für unsere Kernthemen steht. Wir müssen den Konsumenten aufklären. Dieser weiß nicht, was das bedeutet und in welcher Dimension sich das abspielt. Es sind 180 Millionen Euro, die pro Jahr an Künstler fließen, wobei das meiste Geld ins Ausland an große Labels fließt.

derStandard.at: Die KünstlerInnen argumentieren ja immer mit der "Gratis-Kultur" und den illegalen Downloads.

Gessner: So ist die Abgabe aber eigentlich nicht vorgesehen. Die soll für die zulässige Privatkopie sein. Raubkopieren hat mit dieser Sache nichts zu tun. Man kann nicht alle österreichischen Konsumenten für etwas zahlen lassen, das irgendeine Minderheit betrifft. Wir versuchen hier Klarheit zu schaffen.

Izdebski: Der Konsument muss wissen, dass es sich hier um eine Computer- und Handysteuer handelt. Er muss wissen, in welchem Ausmaß dies stattfindet und dass er sich damit kein Recht kauft. Es geht nicht um ein paar Cent, sondern um richtig große Beträge.

Gessner: Und man muss sich fragen, ob es nicht andere Methoden gibt, mit denen man Künstler fördern kann. Es gibt noch keine Patentlösung, aber man muss darüber nachdenken, was man erreichen will.

derStandard.at: Denken Sie, dass die Bevölkerung da hinter Ihnen steht?

Izdebski: Es ist jeder davon betroffen. Mittlerweile hat jeder entweder ein Smartphone, ein Tablet, eine Kamera oder einen Computer zuhause. Jeder kommt mit der Abgabe in Berührung, sonst kämen diese enormen Beträge nicht zustande. Den Konsumenten unter Generalverdacht zu stellen und ihn zur Kasse zu bitten, ist einfach. Die Künstler behaupten auch immer wieder, dass die Leute "wegen ein oder zwei Euro" nicht im Ausland bestellen, was nicht stimmt. Die Kunden bestellen das bequem, bekommen es am nächsten Tag, teilweise versandkostenfrei und bekommen das gleiche Produkt billiger. Der Konsument wird hier also für dumm verkauft.

Gessner: Was wichtig ist: Uns sind die Künstler schon auch wichtig, wir schätzen sie. Wir finden auch, dass sie gerecht entlohnt werden sollten. Sie müssen aber definieren, was ihre Ziele sind. Geht es hier um Kunstförderung von nicht publikumswirksamen Künstlern? Mit dem Thema der Verwertungsgesellschaften sollte man sich dann im Rahmen der Diskussion auch kritisch auseinandersetzen.

Izdebski: Die Künstler selbst können auch nicht beantworten, wieviel von diesem Geld beim österreichischen Künstler landet. Das wird ihnen keiner sagen können. Es wird alles mit sehr viel Emotion behandelt. Die Künstler haben aber eine bessere Lobby als die Konsumenten in der Politik. Die Wahrnehmung der Geschichte ist also nicht ganz objektiv. Die zuständigen Ministerien wissen vermutlich selbst nicht, welche Auswirkungen dies haben könnte, weil sie nur die eine Seite kennen.

derStandard.at: Haben Sie vor, in einem Worst-Case-Szenario eventuell Aktionen im öffentlichen Raum zu starten?

Gessner: Dazu hatten wir noch keine Überlegungen. Wir wollen in erster Linie kommunizieren und aufklären und uns in den Diskurs einmischen. Wir sehen, wie weit wir da einen Beitrag leisten können. Je nachdem, was im Frühjahr rauskommt, wird man sich das überlegen müssen.

Izdebski: Es ist aber Aufgabe des Gesetzgebers, hier eine Lösung zu finden, die für alle gilt. Auch für den Konsumenten, der das ja schlussendlich zahlen muss.

Pfeifenberger: Seit Jahren haben wir die Problematik mit den unangemessenen Urheberrechtsabgaben. Auch bei Kopiergeräten gibt es seit 18 Jahren Sätze, die festgelegt wurden, die damals bezüglich Geräte-Preis stimmig waren. Das waren zwei bis drei Prozent. Mittlerweile sind wir, wenn wir die Geräte nicht künstlich drosseln würden bezüglich Geschwindigkeit, bei Repografie-Sätzen die höher wären als der eigentliche Geräte-Preis. Ab 20 Seiten pro Minute macht die Abgabe über 100 Euro exklusive Umsatzsteuer aus. Die künstliche Drosselung muss sein, um dem Konsumenten eine hohe Abgabe zu ersparen. Dies ist nicht mehr zeitgemäß und wir erhoffen uns diesbezüglich eine Anpassung. (Iwona Wisniewska, derStandard.at, 21.11.2012)