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EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat einen stressigen Donnerstag vor sich: Um 9.45 beginnt er seine Einzelgespräche mit dem britischen Premier David Cameron, bis zum Gipfelbeginn um 20 Uhr will er mit allen 27 Staats- und Regierungschef sprechen.

Foto: reuters/NEIL HALL

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Brüssel - Der Sondergipfel über die EU-Finanzplanung für 2014 bis 2020 wird zu einer Zitterpartie. Großbritanniens Vetodrohung bei einer nicht ausreichenden Kürzung des Sieben-Jahres-Budgets ist weiterhin aufrecht. Gleichzeitig wurde in Brüsseler Diplomaten-Kreisen betont, dass London positiv zu dem jüngsten Vorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy steht. Dieser gehe in die richtige Richtung.

Erstes "Beichstuhlgespräch" mit Cameron

Der britische Premier David Cameron komme nach Brüssel, um eine Vereinbarung zu erzielen. Er sei aber auch darauf vorbereitet, Nein zu sagen. Cameron habe im Vorfeld mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs der EU gesprochen. Dabei sei es darum gegangen, dass die EU den Konsolidierungskurs, den die einzelnen Staaten fahren, auch im Finanzrahmen aufweisen müsse. Es könne nicht sein, dass die Kommission mit sehr hohen Ausgabensteigerungen in ihrem Vorschlag aufwarte, dem würde das britische Parlament nie zustimmen. Der Ausgang des Finanzgipfels sei wichtig für Großbritannien.

Cameron ist der erste der Staats- und Regierungschefs, mit dem EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Donnerstag ein Vier-Augen-Gespräch - auch "Beichtstuhlgespräch" genannt - führen wird. Wie aus dem Umfeld Van Rompuys verlautete, sollen so bis zum Gipfelbeginn um 20 Uhr alle EU-Staats- und Regierungschefs mit dem EU-Ratspräsidenten ihre Anliegen bilateral besprochen haben. So sollen mögliche Kompromisse ausgelotet werden. 

Scheitern hätte ernste Folgen

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird kurz vor Beginn des Gipfels mit Van Rompuy zusammentreffen. Das Treffen, an dem auch EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso teilnimmt, sei für 19.15 Uhr geplant, hieß es aus dem Bundeskanzleramt.

Am Freitag hatte der Bundeskanzler bei einem Treffen mit Van Rompuy in Wien das Ziel eines Rabattes für Österreich im EU-Finanzrahmen von 2014 bis 2020 betont. Der Rabatt und der Einsatz für den ländlichen Raum sind demnach die Prioritäten Österreichs für den EU-Finanzgipfel. Faymann rechnet durchaus auch mit einem möglichen Scheitern. "Ich wäre nicht überrascht, wenn die Verhandlungen sich ins nächste Jahr bis zum Feber oder März hineinziehen", sagte der Kanzler vor dem EU-Hauptausschuss des Parlaments. Faymann geht davon aus, dass durch das neue EU-Budget "erhebliche Mehrkosten" auf Österreich zukommen werden.

Van Rompuy sei fest entschlossen den Gipfel notfalls in die Verlängerung gehen zu lassen, um eine Einigung zu erreichen, hieß es in EU-Ratskreisen. Die Folgen eines Scheiterns wären für die EU ernst. Ein Datum, zu dem der Gipfel enden könnte, gebe es nicht, wurde betont.

Merkel: Notfalls Anfang 2013 weiterer Sondergipfel

Auch die deutsche Kanzlerin deutete in der Haushaltsdebatte des Bundestages erstmals an, dass der Sondergipfel am Donnerstag und Freitag keine Einigung bringen könnte. "Notfalls müssen wir uns dann noch mal treffen Anfang nächsten Jahres", sagte sie.

Sie drängte aber auf eine rasche Einigung der 27 EU-Regierungen. "Deutschland hat sich so starkgemacht, dies schon Ende 2012 zu entscheiden, damit Planbarkeit und Planungssicherheit da ist", sagte Merkel vor allem mit Blick auf die angeschlagenen Euro-Länder. "Für viele Mitgliedstaaten der EU, die derzeit Haushaltskonsolidierung machen, sind die europäischen Investitionsmittel fast die einzigen Mittel, die für Investitionen in die Zukunft zur Verfügung stehen." Diese bräuchten etwa die Strukturfonds für die Vorfinanzierung von Krediten der Europäischen Investitionsbank (EIB) für kleine und mittlere Firmen.

Rabatte-Frage für das "Endspiel"

Die Frage der Rabatte werde voraussichtlich erst in der finalen Phase der Verhandlungen zur Sprache kommen, hieß es in EU-Ratskreisen. "Das ist für das Endspiel", sagte ein Diplomat. Die Bundesregierung kämpft um die Beibehaltung des 2013 auslaufenden EU-Beitragsrabattes, der zuletzt rund 180 Millionen Euro im Jahr ausmachte. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission und des EU-Ratspräsidenten würde Österreich den Rabatt verlieren. Nur mehr Großbritannien, Deutschland, die Niederlande und Schweden würden einen Rabatt auf ihre EU-Beiträge bekommen. Auch Dänemark, das derzeit keine Vergünstigung hat, will einen Rabatt. 

Laut Außenamtsstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) würde Österreich dadurch hinter Schweden den größten EU-Beitrag pro Kopf ins EU-Budget einzahlen. Diese Schlechterstellung gegenüber anderen Ländern sei für die Bundesregierung nicht akzeptabel.

Barroso warnt  vor Kürzungen

Kommissionspräsident  Jose Manuel Barroso warnte indessen eindringlich vor Kürzungen. Die Entscheidungen zum zukünftigen Haushalt der EU seien ein Test für die Glaubwürdigkeit, erklärte Barroso in einer Rede vor dem EU-Parlament. Im Plenarsaal stieß der Appell auf breite Zustimmung. Abgeordnete der großen Fraktionen forderten mehr Geld für sinnvolle Investitionen und drohten mit einer Blockade. Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialdemokraten, betonte: "Einem faulen Kompromiss werden wir nicht zustimmen."

Der aktuelle Vorschlag des EU-Ratspräsidenten sieht für die Verpflichtungsermächtigungen einen 973,2 Milliarden Euro schweren Finanzrahmen und Kürzungen in der Höhe von etwa 80 Milliarden Euro gegenüber dem Entwurf der EU-Kommission vor. Inklusive aller Programme auch außerhalb des Finanzrahmens würde die EU-Finanzierung von 2014 bis 2020 1.010,8 Milliarden Euro ausmachen.

Im Umfeld Van Rompuys wird betont, dass der aktuelle Entwurf des Ratspräsidenten gegenüber dem derzeitigen EU-Finanzrahmen bereits eine reale Kürzung von 20 Milliarden Euro darstellt. In Zahlungen würde die Kürzung moderater ausfallen, nämlich von 943 Milliarden Euro auf 940 Milliarden Euro. (APA, 21.11.2012)