Die Zuckmücke Chironomus riparius lebt an Süßgewässern in ganz Europa. An ihrem Beispiel untersuchten die Wissenschafter die Effekte des globalen Klimawandels.

Foto: B. Valentine

Frankfurt am Main - Um Effekte des globalen Klimawandels auf die Tierwelt zu beurteilen, ist es notwendig, sowohl klimatische als auch genetische Daten zu untersuchen, wie nun deutsche Wissenschafter an Mücken herausgefunden haben. Ob sich die Mücken auch bei höheren Temperaturen noch erfolgreich vermehren können, hängt eng mit der Evolution einzelner Populationen zusammen. Der unterschiedliche Umgang mit Hitzestress lässt sich aber nicht nur dadurch erklären, ob Exemplare dieser Mückenart aus Nord- oder Südeuropa kommen und somit an entsprechende Temperaturen angepasst sind.

Das Team um Markus Pfenninger, Goethe-Universität und Biodiversität und Klima Forschungszentrum, und Carsten Nowak, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Biodiversität und Klima Forschungszentrum, hat in Süd-, Mittel- und Nordeuropa Mückenlarven der weit verbreiteten Zuckmückenart Chiromonus riparius gesammelt und im Labor unter unterschiedlichen Temperaturen aufwachsen lassen. Die für den Versuch gewählten 20, 24 oder 28 Grad Celsius entsprechen in etwa den Durchschnittstemperaturen, denen die Mückenlarven an ihren Ursprungsorten während der Hauptbrutzeit im Sommerhalbjahr ausgesetzt sind. Ergebnis: Wie viele Larven letztendlich bei gleicher Temperatur zu Mücken werden, hängt unter anderem von der Herkunft der Population ab. Außerdem verringert sich mit steigenden Temperaturen generell der Bruterfolg einer Population, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß.

"Der relative Bruterfolg hängt innerartlich davon ab, wie hoch die durchschnittlichen Sommertemperaturen im Ursprungsgebiet sind", erläutert Pfenninger. Mückenpopulationen aus Portugal und Südfrankreich, die im Sommer durchschnittlich höheren Temperaturen ausgesetzt sind, waren daher auch im Experiment bei höheren Temperaturen erfolgreichere Brüter. Dies deutet auf eine lokale Anpassung an Klimabedingungen vor Ort hin.

Populationsgeschichte

Die Untersuchung des Erbguts der Mücken zeigt darüber hinaus, dass nicht nur die Temperatur im Herkunftsgebiet den Bruterfolg erklärt, sondern auch die Populationsgeschichte, wie die Forscher im Fachmagazin "Oecologia" schreiben. Neben natürlicher Selektion spielt hier der Zufall eine Rolle, denn bei Gründung einer neuen Population durch wenige Individuen sind beispielsweise oft nicht alle genetischen Varianten vertreten. Durch umweltbedingte Schwankungen der Populationsgröße fallen in den getrennten Populationen zusätzlich manche weg bzw. kommen durch Mutationen hinzu. Allein dadurch unterscheiden sich Populationen einer Art oft in ihren Eigenschaften. Außerdem ist das Ausmaß der vorhandenen genetischen Variabilität von Bedeutung, denn je höher diese ist, desto größer sind Anpassungspotential und Stressresistenz der Population.

Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um den Prozess der Klimaanpassung künftig besser zu verstehen. "Die Studie zeigt, dass sowohl Populationsgeschichte als auch das Klima des bisherigen Lebensraums betrachtet werden müssen, um vorhersagen zu können, wie eine Art auf Klimaerwärmung reagieren wird", resümiert Nowak. Mücken sind besonders interessante Forschungsobjekte, da sie einen großen Lebensraum besiedelt haben, der - vergleicht man beispielsweise Süd- und Nordeuropa - bis zu 10 Grad Celsius. Temperaturunterschied aufweist. Gleichzeitig wird ihre Körpertemperatur allein durch die Außentemperatur gesteuert. Als nächster Schritt soll das Erbgut der Mücken auf Stoffwechselanpassungen untersucht werden, so dass die Unterschiede zwischen den Populationen auch funktional erklärt werden können. (red, derStandard.at, 26.11.2012)