Das tut der Branche gut. Drei Perspektiven zur gegenwärtigen Lage des Buches und warum Buy-local-Kampagnen notwendig sind.

Wien - Das gute alte Buch, es musste viel ertragen in den letzten Jahren, so viel wie wahrscheinlich nie zuvor. Vor allem eine tiefschwarze elektronische Wolke hängt nach wie vor drohend über der traditionellen bibliophilen Welt. Dass es zu einem Wolkenbruch kommt, ist zumindest im deutschsprachigen Raum derzeit auszuschließen, der Marktanteil von E-Books beträgt in Österreich gerade einmal ein Prozent - mit steigender Tendenz, die Buchbranche erwartet sich mittelfristig fünf Prozent.

Ist das gut oder schlecht? Sagen wir so: In der vielleicht aufregendsten Zeit seit Gutenberg befinden sich Buchhändler, Verleger, Leser etc. gegenwärtig in der Lage, die emotionale Debatte in ruhigere Gewässer zu führen, was ganz gut tut. Ein damit einhergehender Optimismus ist sich der unsicheren Zeiten in der Branche sehr bewusst. Die Buch Wien bietet nun wieder Gelegenheit, Entwicklungen und Tendenzen des österreichischen Buchmarkts aufzuzeigen.

Lesesituation entscheidet 

Der von vielen Seiten heraufbeschworene Durchbruch des E-Books will nicht stattfinden, das im mehrdeutigen Sinne angreifbare Buch wehrt die Todesstöße erfolgreich ab. Ein Grund kann darin gefunden werden, dass es sich hierbei um "zwei völlig unterschiedliche Dinge handelt", wie Petra Hartlieb sagt. Die engagierte Buchhändlerin, die im 18. Wiener Gemeindebezirk ein kleines Geschäft führt und daneben Krimis schreibt, sagt: "Es wurde am deutschsprachigen Markt verschlafen, dass Verlage sowohl gedruckte als auch elektronische Bücher in einem Paket anbieten, unsere Kunden würden ein paar Euro mehr bezahlen, wenn sie mit dem Buch auch das Nutzungsrecht für das E-Book bekommen würden." Ein Download kostet nur unwesentlich weniger als ein Druckwerk des gleichen Titels. Das brächte Vorteile beim Reisen - ein häufig vorgebrachtes Pro-E-Reader-Argument, und man könnte sich auch das Buch ins Regal stellen - ein für viele Buchkäufer wichtiger Gesichtspunkt des gedruckten Werkes. Hartlieb, die in ihrer Buchhandlung keine E-Reader verkauft und privat "noch keinen" besitzt, warnt davor, aus Nostalgiegründen das Internet zu verteufeln, der Webauftritt ihres Unternehmens inklusive Facebook ist immens wichtig.

Es kommt auf die Lesesituation an: Im wissenschaftlichen Bereich kann die Digitalisierung Erleichterung bringen, ob Bilderbücher auf dem iPad der erwünschte Zugang zum Buch sind, ist umstritten. "Kinder nehmen ihre Lieblingsbilderbücher wie ein Kuscheltier mit ins Bett, das wird mit einem Tablet nicht passieren", sagt Hartlieb.

Martina Schmidt, Leiterin des Verlagsprogramms bei Deuticke, findet den Kindle unsympathisch, hat aber aus Berufsgründen einen. Dem Online-Händler Amazon, nun selbst als Verleger tätig, der Autoren bis zu 70 Prozent an Tantiemen verspricht, steht sie selbstbewusst gegenüber: "Wir können bestimmte Dinge, die Amazon nicht kann, wissen genau, welche Bücher wir wollen, und pflegen freundschaftlichen Kontakt zu unseren Autoren - das wird in den nächsten Jahren, Jahrzehnten so bleiben." Schmidt betont die Wichtigkeit neuer, kostenloser Werbemöglichkeiten für Verlage im Internet, die sich durch Social- Media-Kampagnen, Newsletter, etc. eröffnen. "Für uns als Verlag sind E-Books sogar angenehmer, weil wir keine Lagerhaltungskosten haben." Ein frisch gedrucktes Buch möchte die Verlegerin aber niemals missen.

Seit vier Jahren ist Gerald Schantin der Präsident des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels: "Die wesentliche Veränderung in dieser Zeit brachte der Internetshop mit sich - mehr als 15 Prozent fließen in den Internethandel, hauptsächlich zulasten des stationären Buchhandels, dessen Umsatz stagniert bei voranschreitenden Kosten."

Das Problem ist die Gefährdung der Nahversorgung. Wer bei Amazon kauft, trägt dazu bei, dass "die Kaufkraft ins Ausland abwandert und Arbeitsplätze verlorengehen; Amazon zahlt die Steuern in Luxemburg. Wegen der Buchpreisbindung gibt es bei deutschsprachigen Büchern keinen Preisvorteil." Deshalb muss aber niemand auf seinen Einkauf im Internet verzichten. Schantin plädiert für einen eigenen Webshop der Buchhändler. Der Hauptverband sieht sich hierbei als Bewusstseinsbildner. Schantin: "Eigentlich müssten ausgehend von der Wirtschaftskammer Kampagnen für ,buy local' gestartet werden, das wurde auch schon öfters angesprochen, kostet aber viel Geld."

Das ist auch der Wunsch von Petra Hartlieb, einer unermüdliche Netzwerkerin in ihrer Nachbarschaft. Einen eigenen Webshop hat sie schon eingerichtet, der "hat das gleiche Angebot wie Amazon, und man bekommt die Bücher innerhalb von zwei Tagen portofrei zugeschickt". Die schwere Aufgabe heißt hier: Verbreitung dieser Information. In Deutschland hat sich bereits ein regionaler Buy-local-Verein gegründet, wie der Webseite des Börsenvereins des deutschen Buchhandels zu entnehmen ist.

Buch bleibt Leitmedium 

Die Tendenz geht wieder zu den kleinen Buchhandlungen, wobei klein und fein allein nicht reicht. Persönliche und kompetente Beratung, moderne Trends beachten und dennoch auf Individualität setzen sind wesentliche Punkte. Umsatzrückgänge gibt es bei Klein und Groß, die seien aber nicht so sehr der Wirtschaftskrise, sondern dem Internet geschuldet.

Von Jänner bis Oktober 2012 verzeichnete der österreichische Buchhandel ein Plus von 1,2 Prozent, allerdings auf ein schwächeres Vorjahresergebnis. Innerhalb der Warengruppen nimmt die Belletristik den größten Umsatzanteil (mehr als ein Drittel) ein. Das Sachbuch ist leicht rückgängig (-1,5 Prozent). Heuer kommen in Österreich knapp 10.000 Printpublikationen auf den Markt (rund 100.000 im deutschsprachigen Raum), 2010 wurden österreichweit allein für Bücher 470 Millionen Euro ausgegeben.

Die Bemühungen der Buchbranche in Krisenzeiten sind vielfältig. "Da muss man unterscheiden", sagt Hartlieb, "es gibt keine Krise der Buchbranche, sondern eine der großen Kettenbuchhandlungen." Die Kunden seien von den großen, anonymen Flächen enttäuscht. Schantin bestätigt den Druck, der auf den Großen lastet: "Es fehlt das Stammpublikum." Der Kommerzialrat ist neben seiner präsidialen Hauptverbandstätigkeit Geschäftsführer von Morawa, hinter Thalia der bedeutendste Marktteilnehmer in Österreich. Auf der Buch Wien betreibt Morawa zusammen mit Hartliebs Büchern und der Kleinbuchhandlung Laaber die Gemeinschaftsbuchhandlung.

Überlebt das gedruckte Buch? Eindeutige Antwort: Ja. Für Hartlieb ist es die "Wiege unserer Zivilisation". Für die Verlegerin Schmidt steht das intime Erlebnis im Vordergrund, sie möchte keinen E-Reader streicheln. Dass das E-Book zum Kulturgut avanciert, kann sich Schantin "nicht vorstellen, weil die Nachhaltigkeit fehlt". Wenn auch in der Branche nach wie vor gewisse Vorsicht geboten ist (wo auch nicht?), herrscht Optimismus und Einigkeit darüber, dass gedruckte Bücher und E-Reader nebeneinander Bestand haben müssen. Schantin: "Das Buch bleibt das Leitmedium." (Sebastian Gilli, 17./18.11.2012)