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Opel-Mitarbeiter: "Jeder ist dankbar für jeden Tag, den er überhaupt noch arbeiten darf. Jeder ist froh, dass er nicht irgendwann einmal unten am Tor ankommt und noch zahlen muss, dass er hinein kann."

Foto: Reuters/Thomas Peter

Werner Kastler* arbeitet im Opel-Werk in Bochum. Seine Schicht an der "Kette" beginnt um 22 Uhr und endet um 6 Uhr morgens. Fünf Tage die Woche. Nach mehr als zwanzig Dienstjahren liegt sein Grundgehalt heute bei 2.600 Euro brutto. Wenn die Zafira-Produktion 2016 ausläuft, könnte der Mutterkonzern General Motors (GM) das Werk dicht machen. Betriebsrat und Gewerkschaft fordern dagegen Zusagen zu Standorten und Beschäftigung über 2016 hinaus.

Zwei Jahrzehnte lang war Kastlers "Heimat" die Lackiererei. Seitdem Maschinen seinen Job übernommen haben, steht er in der Fertigmontage am Band. Kastler im Gespräch mit derStandard.at: "Ich stehe an der Kette und sortiere die Teile vor. Ich bin so etwas wie ein Kettenhund von Opel. Aber da habe ich wenigstens meine Ruhe, und das ist gut so."

"Man ist psychisch am Ende"

Es ist gut so, denn das Arbeitsklima sei heute "scheiße". Früher habe man noch richtig gut Kohle machen können, es gab Weihnachtsgeld und Feiertagszulagen. Heute habe er keine Hoffnung mehr. "In den1990ern waren wir 20.000 Leute, heute sind es 3.600. Unter besseren Arbeitsbedingungen, würde ich gerne bis zur Rente hier bleiben. Doch schön langsam habe ich die Schnauze voll, die Nerven gehen kaputt und man ist psychisch am Ende. Ich denke, GM will auf kurz oder lang die Marke Opel aussterben lassen."

Bochum ist das einzige Opel-Werk Deutschlands, das derzeit ausgelastet ist. Seit Ungarn 1.250 Modelle des alten Astras für die Polizei bestellt hat, fährt das Werk sogar Sonderschichten. "Wir müssen bis Jahresende liefern. Das heißt, dass ich jetzt manchmal auch sonntags arbeite", so der Opel-Mitarbeiter weiter. Im Jänner soll wieder Kurzarbeit gefahren werden. Wie man da noch ein "normales" Leben führen könne? Kastler lacht. "Gute Frage. Ich stehe eben auf der dunklen Seite der Macht." Ein "normales" Leben führe er nur im Urlaub.

Belegschaft hält zusammen

Das Klima in der Belegschaft? Kastler: "Die hält zusammen, aber es herrscht Resignation. Niemand traut sich mehr etwas. Die Streikbereitschaft ist weg. Jeder ist dankbar für jeden Tag, den er überhaupt noch arbeiten darf. Jeder ist froh, dass er nicht irgendwann einmal unten am Tor ankommt und noch zahlen muss, dass er hinein kann."

Doch die Hoffnung schwinde bei ihm mit jedem Tag. Ebenso der Glaube an einen Rückhalt durch den Betriebsrat. "Da werden irgendwelche 'Klamotten' ausgehandelt, um uns bei Laune zu halten. Mit der Novemberabrechnung werden die für Mai bis Oktober gestundeten Tariferhöhungen von 4,3 Prozent zwar als Einmalzahlung ausgezahlt, aber danach wohl gleich wieder eingefroren, wenn die nächsten Verhandlungen nichts bringen."

Letzte Ausfahrt 2016?

Dem derzeitigen Betriebsratschef Rainer Einenkel könnte der Ausgang der Verhandlungen schließlich egal sein, lautet Kastlers Vorwurf, denn der gehe ja sowieso im April. Einenkel kontert auf Anfrage: "April ist schon richtig, nur auf das Jahr habe ich mich noch nicht festgelegt."

An einen Weiterbestand des Werkes nach 2016 glaubt Kastler längst nicht mehr. Viele Modelle würden bereits im Ausland produziert. "Den neuen Mokka zum Beispiel machen die in Korea. Kürzlich habe ich mit einem Kollegen darüber gewitzelt, ob wir den doch noch hier produzieren könnten. Doch du kriegst höchstens eine Fahrkarte nach Korea. Dort kannst du dann für 30 Cent die Stunde arbeiten." Anders sieht man das bei Opel. "Wir suchen mit GM immer noch nach einer Lösung und nach weiteren Modellen für unsere Produktion in Bochum", so ein Konzernsprecher zu derStandard.at.

Doch Kastler ist überzeugt: "GM wird nicht den selben Fehler wie Ford machen und uns informieren", und meint damit die Mitarbeiterproteste Anfang November vor der Unternehmenszentrale in Köln gegen die Schließung des belgischen Werks in Genk. "Seit wir 2004 die Arbeit niedergelegt haben, sind die von GM vorsichtig geworden", und er legt noch nach: "Als es letztes Jahr darum ging, Leute zu kündigen, sind manche durchgedreht. Kollegen wurden gegeneinander ausgespielt. Mitarbeiter, die dem Unternehmen ein Dorn im Auge waren, zum Vier-Augengespräch zum Chef gerufen. 'Bist du noch gut genug für uns?' - solche und ähnliche Fragen wurden ihnen gestellt. Ein Kollege hat darauf mit einem Vorschlaghammer die Meisterbude auseinandergenommen."

"Es gab niemals Gewalt im Werk"

Der Unternehmenssprecher dementiert: "Es ist niemals zu irgendeiner Form von Gewalt im Werk gekommen. Opel ist ein sozialer Arbeitgeber. Wir wissen, dass Mitarbeiter zermürbt sind. Deshalb gibt es regelmäßig Informationsveranstaltungen und wir sind froh über jedes Feedback."  (Sigrid Schamall, derStandard.at, 19.11.2012)

*Name von der Redaktion geändert