Graz - Gymnastik am Strand, Sonnenschirme, Badetücher, Liegestühle. Am Kiosk von Adina gibt es Eis und kühle Getränke. Ein netter Bademeister namens Nemorino bläst den Kindern die Schwimmtiere auf. Damiano Michieletto, aus Venedig stammender Shootingstar der italienischen Regieszene, inszeniert die Herzensverwirrungen von L'elisir d'amore als mediterranes Wimmelbild, das umgehend Erinnerungen weckt. Und alles passt.

Adina ist die Chefin und kann es sich leisten, auf der Suche nach Liebesgeschichten im Internet zu surfen, während Giannetta an der Bar bedient. Nemorino muss die Papierkörbe leeren und die Stranddusche sauberhalten, lässt aber Adina keinen Moment aus den Augen. Die wiederum ist empfänglich für die Avancen des Marineoffiziers Belcore. Und liegt nicht nahe, was der geschmeidige Dulcamara vertreibt? Neben der gekonnten Promotion seines Energydrinks bringt er noch ein anderes Zaubermittel unter die Leute - dieses allerdings illegal.

Michieletto und sein Bühnenbildner Paolo Fantin kreieren eine bunte Welt mit reichlich Wasser, die in der Hitze kurz entgleist und sich wieder fängt - für wie lange, weiß man nicht. Musikalisch geleitet wird der Ausflug unter die südliche Sonne von José Miguel Esandi, der das Grazer Philharmonische Orchester solide und flüssig musizieren lässt, wenig auftrumpft und das homogene Ensemble aufmerksam führt.

Für die erkrankte Premierenbesetzung Nazanin Ezazi sprang Margarita Klobucar ein und stellte einmal mehr ihre uneingeschränkte Bühnensicherheit und ihr stimmliches und stilistisches Können unter Beweis. Antonio Polio - er begeisterte vor zwei Jahren das Grazer Publikum als Don Ottavio - besticht nicht nur mit jugendlicher Attitude, sondern vor allem mit seinem ruhig und kultiviert geführten Tenor, der zu schöner Nuancierung fähig ist. Als Nemorino kehrt er eine Art grundsympathischer Arglosigkeit hervor, die der Rolle guttut und ihr die abgedroschene Tölpelhaftigkeit nimmt.

So wird glaubhaft, dass die launische Adina sich letztlich doch für ihn interessiert und den testosterongetriebenen Belcore abserviert; ihn verkörpert der junge Südtiroler André Schuen mit vielversprechendem Bassbariton, großer Spielfreude und augenzwinkerndem Bella-Italia-Klischee - die Vespa wird ihm aber schnell von Dulcamara geklaut. Der ist ein eher gefährlicher Typ - seine Auftritte sind großes Theater, voller Energie und Zynismus, und sie werden zu Bravourstücken für den vielseitigen Wilfried Zelinka.

Der von Bernhard Schneider einstudierte Chor glänzte durch individuelle Charakteristik, jede Figur erzählt eine Geschichte. So ist alles im Fluss und glaubwürdig, und trotz Polizei und Drogenhund bleibt die Liebenswürdigkeit und Leichtigkeit erhalten, die Donizettis Oper stets Erfolg garantierte. Der stand auch in Graz schon beim ersten Szenenapplaus fest.  (Beate Frakele/DER STANDARD, 19. 11. 2012)