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Hochrangige Gespräche in Kairo: Ägyptens Präsident Morsi (re.) mit dem türkischen Premier Erdogan.

Foto: Egyptian Presidency/AP/dapd

Es sei möglich, dass bald ein Waffenstillstand erreicht werde, erklärte am späten Samstagabend der ägyptische Präsident Mohammed Morsi. Er war nicht nur in Kontakt mit Israel und den Palästinensern, sondern hatte eine ganze Reihe hochkarätiger Politiker der Region zu Krisengesprächen zu Gast in Kairo; darunter der Emir von Katar, Hamad bin Khalifa al-Thani, den Hamas-Chef Khaled Meshaal und den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan. Dieser erklärte zuversichtlich, Ägypten und die Türkei seien fähig, Stabilität in den Nahen Osten zu bringen.

Im Gegensatz zum letzten Gaza-Krieg zur Jahreswende 2008/2009 haben sich die Gewichte verschoben. Vor allem die Länder, deren Bevölkerung im Arabischen Frühling ihre Freiheit erkämpft hat, zeigen Flagge gegen die israelischen Angriffe. Nach dem ägyptischen Premier war es der tunesische Außenminister, der nach Gaza reiste, um Solidarität auszudrücken. Was sich Israel vor dem Arabischen Frühling erlaubt habe, könne es sich heute nicht mehr erlauben, erklärte Rafik Abdessalam. Zu Besuchen in Gaza hatten sich außerdem der libysche Parlamentschef Mohammed Al-Magarief und Regierungschef Ali Seidan angekündigt sowie eine Gruppe von ägyptischen Politikern und Revolutionsaktivisten.

Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga

Ein Politiker auf dem Sinai rief die Ägypter dazu auf, in Gaza menschliche Schutzschilde zu bilden. Vor vier Jahren, in der Ära Mubarak, blieb der Gazastreifen praktisch abgeriegelt. Morsi lässt die Grenzen teilweise offen.

Auch die Außenminister der Arabischen Liga, die sich am Samstag in Kairo zu einer Dringlichkeitssitzung getroffen hatten, verlangten nicht nur den sofortigen Stopp der israelischen Luftangriffe und ein Ende der Gaza-Blockade; sie beschlossen zudem, eine Delegation unter dem Vorsitz von Generalsekretär Nabil Elaraby nach Gaza zu entsenden, der auch der palästinensische Außenminister Riad al-Malki aus Ramallah angehören wird. Die Arabische Liga entschied zudem, ihre Position zu Israel und zum nicht existierenden Friedensprozess grundsätzlich zu überprüfen.

Vermittlerrolle

Ägypten hat traditionell eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Palästinensern und Israel gespielt. Morsi hält daran fest, stellt sich aber auch auf die Seite der Bevölkerung von Gaza und versprach, ihr zu helfen, soweit es in seiner Macht stehe. Weder er noch die Länder der Arabischen Liga wollen eine Eskalation in Gaza, ausgerechnet in einer Zeit, da in den Syrien-Krieg mit der neu formulierten Opposition Bewegung kommt.

Die Gefahr, dass sich die Gaza-Krise ausweitet, besteht. Am Samstag berichteten ägyptische Medien von israelischen Kampfjets, die bei der Bombardierung von Rafah den ägyptischen Luftraum verletzt hätten. Die Menschen in der Region sind aufgebracht. Zehntausende gingen auf die Straße. Viele verlangen, dass Kairo und Amman die diplomatischen Beziehungen zu Israel abbrechen, vereinzelte Stimmen fordern sogar, dass der Einsatz von Waffen zum Schutz der Palästinenser geprüft werden müsse. Auch die Idee, dass die arabischen Länder die Ölwaffe einsetzen sollten, um den Westen zu Druck auf Israel zu zwingen, wird propagiert. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 19.11.2012)