Der Start von Windows 8 ist wenig verheißungsvoll verlaufen, so Paul Thurrott

Foto: Microsoft

Windows 8 mag nicht so richtig abheben. Wie Paul Thurrott, bekannter IT-Blogger mit Fokus auf Microsoft, auf WinSupersite unter verweis aus Quellen aus dem Konzern berichtet, liegen die Verkäufe von neuen Computern, auf denen das System vorinstalliert ist, deutlich unter den internen Prognosen. Während man in Redmond die PC-Hersteller wegen mangelhaften Designs und schlechter Verfügbarkeit der Geräte verantwortlich macht, ortet der Experte eine Reihe von Gründen für die ausbleibende Nachfrage.

Angespannte Beziehung zu OEMs

Bei Microsoft ist man offenbar schon länger unzufrieden mit den Vermarktungsstrategien seiner Partner. Das Verhältnis mit den OEMs ist angespannt und im Wandel. Daher, so denkt Thurrot, expandiert Microsoft auch mit eigenen Stores, die künftig eine gewichtige Rolle im Absatz der Hardware spielen könnten. Aktuell gibt es aber nur rund 30 Microsoft-Geschäfte in den USA.

Unsicherheit nach Sinofsky-Abgang

Der Abgang von Windows-Chef Sinofsky hat für Unsicherheit gesorgt. Nicht nur, weil er zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt erfolgt ist, sondern weil Verunsicherung über das "Warum" herrscht. Denn entgegen anderslautender Stimmen könnte nicht seine Neigung zu internen Streitigkeiten und die Verbannung wichtiger Führungskräfte und Mitarbeiter, sondern Windows 8 ihn seinen Job gekostet haben. Dass man auf einen geregelten Übergang verzichtet und seine Vertraute Julie Larson-Green nicht zur Chefin der Windows-Abteilung gemacht hat, könnte auf weitere Änderungen hindeuten.

Als ein großes Problem der Sinofsky-Ära ortet Thurrott mangelnde Transparenz. Unter ihm drang kaum etwas darüber nach Außen, wie es mit Windows in Zukunft weitergeht. Die Folge: Vertrauensverlust, der auch die Kunden abschreckt.

Veröffentlichung zur falschen Zeit

Der Launchtermin für Windows 8 ist zudem aus wirtschaftlicher Sicht nicht gut gewählt. Das neue System erscheint in ökonomisch unsicheren Zeiten, dazu stellen viele Firmen gerade erst auf den Vorgänger Windows 7 um. Diese fallen als potenzielle Käufer für Windows 8 weg, womit der Erfolg fast ausschließlich an der Akzeptanz im Consumer-Segment hängt.

Dort hat der Konsument heute aber mehr Wahl denn je, Tablets halten als "Erweiterung" der klassischen Rechner zunehmend Einzug in die Haushalte. Manche könnten letztlich entdecken, dass sie überhaupt kein anderes Gerät benötigen, bei vielen dürfte die Anschaffung eines iPads oder anderen Tablets aber zumindest den Zeitraum bis zur Anschaffung des nächsten Rechners verlängern.

Verwirrende Hardwareauswahl,...

Hinzu kommt, dass auf Basis des Mischkonzepts von Windows 8, dass den klassischen Desktop und die Touchwelt vereinen soll, eine verwirrende Anzahl unterschiedlicher, neuer Gerätetypen entsteht. Die Hersteller lassen jeweils ihr eigenes Konzept eines Hybriden auf den Markt los, während sie weiter auch konventionelle Devices wie Laptops oder Ultrabooks im Portfolio behalten. Eine Einigung auf ein paar wenige Grund-Designs für die sogenannten Convertibles ist nicht in Sicht.

...verwirrendes UI-Konzept

Dann wäre auch noch Windows 8 selbst. "Frankensteins Monster aus alt und neu, das ein großartiges Desktop-Upgrade unter einem verrückten Metro-Frontend versteckt", nennt Thurrott die jüngste Generation des Betriebssystems. Der Fokus auf die Kacheloberfläche macht Microsofts Devise "Touch first" zu einem Zwang, weil der User - zumindest nicht ohne Hilfsprogramme von Dritten - schlichtweg nicht die Option bekommt, sich konstant in einem der beiden Interfaces zu bewegen. Während Thurrott Windows 8 durchaus mag, versteht er jene Nutzer, bei denen sich die Freude in Grenzen hält.

Windows 8 vs. Windows RT

Wenig nachvollziehbar ist auch, was Microsoft mit Windows RT vor hat. "Stellen Sie sich vor, Apple kündigt ein neue Version von iOS an und veröffentlicht dann ein Tablet, das mit Mac OS X läuft. Das macht doch keinen Sinn, oder?", fragt sich der IT-Experte. Windows RT sieht zwar aus wie Windows 8, ist aber aus Gründen der Optimierung auf ARM-Prozessorarchitektur inkompatibel zu existierender Desktopsoftware. "Verwirrend? Definitiv. Und man kann das sogar kaufen. Was wird sich der Durchschnittskonsument denken?"

Logische Folge ist wohl auch das Absatzproblem des Surface RT. Nicht nur, dass der Unterschied zwischen Windows 8 und RT die Kunden verwirrt - jene, die sich des Unterschiedes der beiden Versionen bewusst sind, warten nun möglicherweise bis Januar, um zu sehen, wie sehr sich die Anschaffung des Surface Pro im Vergleich zu anderen Windows-Geräten lohnt. Microsofts großer Fehler war es, den Surface Pro nicht gleichzeitig mit Windows 8 zu launchen.

Hardwarefrage

Dann wäre da noch die Intel-Hardware. Käufer haben nun die Wahl zwischen ähnlich aussehender Hardware, die sich in Sachen Performance aber um Welten unterscheiden kann. Während in den einen Geräten vollwertige "Ivy Bridge"-Prozessoren stecken, steckt in den anderen die Atom "Clover Trail"-Technologie. Letztere Punkten immerhin mit schlanken Formfaktoren, geringem Gewicht und langer Akkulaufzeit, verfügen dafür aber über vergleichsweise geringen Speicherplatz und wenig RAM. Ein weiterer Beitrag zur Verunsicherung potenzieller Käufer.

Die Summe all dieser Probleme und Pannen trägt stark dazu bei, dass viele Konsumenten erst einmal abwarten, statt sich ein neues Produkt zu kaufen. Was so ziemlich das Gegenteil von allem ist, was sich Microsoft und die Industrie wünschen würden. Der Start von Windows 8 wird in Folge von vielen negativen Stimmen begleitet, was Erinnerungen an Windows Vista weckt. Dabei hätten sich all die Schwierigkeiten auch vermeiden lassen, findet Thurrott. (red, derStandard.at, 17.11.2012)