Brüssel - Im Streit der Nettozahlerländer der Union um mehr oder weniger starke Kürzungen im mehrjährigen EU-Finanzrahmen bis 2020 hat Regionalkommissar Johannes Hahn die österreichische Regierung am Donnerstag davor gewarnt, zu stark auf den Erhalt der bestehenden Beitragsrabatte für Nettozahlerländer zu setzen.

Die EU-Kommission habe in ihrem Grundkonzept nicht zufällig vorgeschlagen, parallel zum Rückfahren der Agrarförderungen auf längere Sicht "alle Rabatte abzuschaffen bzw. schrittweise abzusenken", sagte er in Brüssel vor Journalisten, "das hilft auch den Nettozahlern". Und es entspreche dem Wunsch der Parlamente nach mehr Transparenz. Die Gewährung der Rabatte, von denen Großbritannien mit 3,6 Milliarden Euro am meisten profitiert, seien kaum mehr erklärbar.

"Wenn Österreich nun weiter seinen Rabatt erreichen will, dann werden auch die anderen kommen", erklärte Hahn, "die Italiener, die Dänen wollen ihn auch." Die Italiener verhandelten schon mit den Briten darüber. Das könnte bedeuten, dass Österreich als Land mit großem Wohlstand am Ende erst recht wieder mehr bezahlen müsse, denn: "Einen Rabatt nur für Österreich wird es nicht geben."

Hahn sieht Spielraum

Österreich würde nach derzeitigem System als einziges Land 170 Millionen Euro an Rabatt verlieren; jener der Niederlande und Schwedens würde in ähnlichem Ausmaß gekürzt. Die Briten und Deutschland würden ab 2014 aber pauschale Nachlässe bekommen, auch nach dem Vorschlag von Ratspräsident Herman Van Rompuy, der den Ansatz der Kommission (1030 Mrd. Euro in sieben Jahren) um 75 Mrd. kürzen will.

Hahn rät der Regierung in Wien, sich auf Forderungen zu konzentrieren, die aus länderspezifischer Sicht "gut begründbar" seien, wo Österreich besondere Chancen habe, eine "Sonderförderung" zu bekommen. Das sei im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Fall. Das kleine Österreich habe mehr Nachbarn als fast alle EU-Staaten. Da wäre ökonomisch viel rauszuholen, Österreich könnte neue Allianzen aufbauen. Gegen den Van-Rompuy-Vorschlag sprach sich Donnerstag Frankreich massiv aus. Es will Agrarkürzungen nicht hinnehmen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 16.11.2012)