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Wie viel für ein Videospiel ist zu viel?

Foto: Rich Pedroncelli/AP/dapd

Woran erkennt man, dass wir vor dem Start einer neuen Konsolengeneration stehen? Daran, dass Spielentwickler vor hohen Hardwarepreisen warnen (und damit indirekt Druck auf die Konsolenhersteller ausüben) und daran, dass Spielentwickler offen über "steigende" Produktionskosten sprechen (und damit vorab höhere Spielepreise rechtfertigen). Der Aufschrei in der Community ist bei diesem Thema so verständlich wie vorhersehbar - wer möchte denn morgen mehr für etwas zahlen, das er heute günstiger haben kann?

Aber was ist, wenn sich die Hersteller darauf einigen, mit dem Erscheinen von Xbox 720 und PlayStation 4 die Durchschnittspreise von Vollpreistiteln von 60 Euro auf 70 Euro oder 80 Euro anzuheben? Wäre das gerechtfertigt oder untragbar?

Anfangskosten sind nur ein Teil der Wahrheit

Nun, bei aller Rücksicht auf die Studios ist es nachvollziehbar, dass mit zunehmenden technischen Möglichkeiten aufwändigere Spielwelten und detailliertere Charaktere zum Leben erweckt werden können und dadurch die Produktionskosten zunächst steigen. Man denke nur an den Sprung von zweidimensionalen Grafiken auf dreidimensionale Grafiken. Praktisch über Nacht haben sich die Herausforderungen vervielfacht. Bei Filmen ist es nicht anders, wobei hier die Personalkosten (Schauspieler) insgesamt stärker ins Gewicht fallen.

Ein entscheidendes und leicht zu überlesendes Wort ist hier "zunächst". Denn läuft der Produktionsapparat erst einmal, hat man Zeit, Prozesse zu optimieren und kann so wieder kosten einsparen. Genau so, wie es Epic Games-Technikchef Tim Sweeney vergangene Woche erklärte. Man denke nur an die Konzeption einer neuen Serie. Für "Assassin's Creed" oder "Uncharted" mussten die Studios nicht nur die Inhalte sondern auch das gesamte technische Gerüst aus dem Boden stemmen. Bei den Fortsetzungen konnte man dann auf den Säulen des ersten Projekts aufbauen. Fraglich ist, wie viel Mehraufwand die neuen Technologien nach dieser Anfangsphase mit sich bringen. Flottere Prozessoren, mehr Speicher und Shader erlauben nicht nur schönere Texturen und Animationen, sondern auch aufwändigere physikalische Berechnungen und schlauere Computercharaktere.

Eine Frage der Wertschätzung

Wie viel man gewillt ist, für ein Spiel auszugeben ist letztendlich aber natürlich auch eine Frage der Wertschätzung. Mein liebstes Beispiel dafür ist "Call of Duty". Ich gehöre vermutlich zu den wenigen Spielern, die nicht daran interessiert sind, sich online von 14-jährigen Profis den Hintern versohlen zu lassen. Ergo spiele ich "Modern Warfare" und "Black Ops" vorrangig ob der Einzelspielerkampagne und der kooperativen Missionen. Was für mich bleibt, sind vom Gesamtpaket also rund fünf Stunden Story und ein paar Spieleabende - unter dem Strich rechtfertigt dies in meinen Augen keine 60 Euro.

Aber Spielzeit ist für mich nur ein Faktor von vielen, die den Wert eines Spiels ausmachen. Bei "Uncharted" etwa zahle ich gerne den Vollpreis, auch wenn ich nur die Story spielen würde. Hier fühle ich mich in den durchgehend abwechslungsreichen zehn Stunden des Abenteuers perfekt unterhalten. Für mich persönlich ein erfüllenderes Erlebnis, als beispielsweise 20 Stunden "Borderlands 2", das auf ein belohnendes, aber repetitives Gameplay aufbaut.

Andere Geschäftsmodelle

Dass man in Zukunft für ein "Grand Theft Auto 7" oder "Halo 8" mindestens 70 Euro oder gar 80 Euro hinblättern müssen wird, glaube ich dennoch nicht. Wenn man nach dem Entwicklungsaufwand geht, müsste heute schon ein "Skyrim" oder "Grand Theft Auto 5" teurer sein, als die jährliche Neuauflage von "FIFA" oder "Call of Duty". Es gibt jedoch eine psychologische Preisgrenze, die man als Kunde nicht überschreiten möchte und die von Hersteller nun sehr behutsam verschoben wird. Anstelle den Paketpreis zu erhöhen, werden Herausgeber in den kommenden Jahren daher stärker denn je auf Zusatzinhalte oder den episodenhaften Vertrieb setzen.

Die großen Franchises geben den Trend vor. Für 60 Euro erhält man heute einen Blockbuster, danach erscheinen noch mindestens drei Download-Inhalte (DLC) mit neun Inhalten für fünf bis 15 Euro. Vorbesteller erhalten weitere Zusatzinhalte und wer alle künftig erscheinenden DLC billiger haben möchte, kann diese schon vor der Veröffentlichung des eigentlichen Spiels in einem "Season Pass" als Bündel kaufen.

Gefährliches Spiel?

Die Entwickler legen also im vornherein fest, wie viel in das "Basispaket" kommt, der Rest wird tranchenweise verkauft. Ein aus Sicht des Herausgebers geniales Modell. Denn der Spielpreis kann, ohne die psychologische Schmerzgrenze zu übertreten, auf diese Weise beliebig in die Höhe getrieben werden.

Entwickler, genauer gesagt die Marketingexperten, sollten sich bei aller Goldgräberstimmung aber klar vor Augen halten, dass man sich hier auf einem sehr schmalen Grat bewegt. Mich als Konsument nerven diese Auswüchse des DLC- und Promotion-Urwalds immer öfter. Noch bevor ich wusste, ob "Assassin's Creed 3" gut oder schlecht wird, ja noch bevor es überhaupt erschienen ist, kündigte Ubisoft bereits an, dass ich in einer Zusatzepisode gegen den "bösen" George Washington kämpfen werden kann. Selbst wenn DLCs prinzipiell keine schlechte Ideen sind, kommt die Art und Weise ihrer Vermarktung schlecht oder verwirrend herüber.

Alles inklusive

Genauso, wie die Segmentierung der Inhalte zu Problemen führen kann, könnte sie natürlich auch zu mehr Transparenz uns Flexibilität führen. Wenn ich etwa nur den Einzelspielermodus spiele möchte, weshalb soll ich dann auch für den Mehrspielermodus aufkommen? Das Extrembeispiel ist das Free2Play-Modell, wo man für das Spiel zunächst gar nichts zahlen muss, Einnahmen aber durch zusätzliche Inhalte generiert werden. In der Theorie klingt das gut, in der Praxis führt dies allerdings dazu, dass Marketingideen stärker denn je in das Spiel einfließen. Die Hersteller müssen sich schließlich überlegen, wie sie den Spielern Geld aus der Tasche locken können, während er spielt.

Vielleicht bin ich einfach gestrickt - ein sorglos Typ. Aber umso mehr ich über diese neuen Modelle nachdenke, desto stärker tendiere ich wieder zum Vollpreistitel. Es wird sich zeigen, was der Markt denkt. In Anbetracht der bevorstehenden Welle von Free2Play-Spielen, erscheint mir das Fixpreismodell zunehmend als attraktive Vermarktungsstrategie der Zukunft. (Zsolt Wilhlem, derStandard.at, 17.11.2012)

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