Dass Teile der medizinischen Forschung heutzutage nicht ohne Tierversuche auskommen, ist unbestritten. Doch es stellt sich die Frage, ob das auch so bleiben muss.
Ist es denkbar und realistisch, die Verwendung von Tieren als lebende Wesen, die Schmerz und Leid empfinden, für Experimente zum Nutzen des Menschen zu beenden? Fließen wirklich genug Forschungsgelder in die Entwicklung anderer Testmethoden an Zellkulturen oder per Computersimulation? Dass als "Alternative" dann zwangsläufig wieder zu Menschenversuchen übergegangen würde, ist ein Killerargument - auch wenn man in einer Welt extremen Wohlstandsgefälles, wo Menschen in armen Ländern schon derzeit für wenige hundert Euro ihre Organe verkaufen, diesbezüglich höchst aufmerksam sein muss.
Doch aus tierschützerischen ebenso wie aus ethischen Gründen wäre der kollektive Versuch, auf Tierversuche zunehmend zu verzichten, höchst wichtig. Nicht zuletzt, weil dabei Überlegungen angestellt werden müssten, die geeignet sind, das heute so seltsam gespaltene Verhältnis der Menschen zu den Tieren zu verändern: diese Mischung aus reinem Verwendungsdenken und verkitschter Vermenschlichung, die den Tieren als Mitgeschöpfen keineswegs gerecht wird. Dieses Ziel gilt es nicht aus den Augen zu verlieren. Daher: Eine Welt ohne Tierversuche ist durchaus erstrebenswert. (Irene Brickner, DER STANDARD, 14.11.2012)