Stimmiges Porträt: Godspeed You Black Emperor  2010

Foto: Yannick Grandmont

Wien - Bis da alle auf die Bühne finden, dauert es. Andererseits gibt es dort länger keinen Auftrag, warum soll man sich also beeilen? Den Beginn des Konzerts der kanadischen Band Godspeed You! Black Emperor markiert ein Bassgewitter. Eines ohne Blitze. Es wabbert nur, bis das Moos vom Zwerchfell bröselt, bis die Ohrwascheln die weiße Fahne schwenken. Aber bis zum sonischen Ende dauert es noch lange. Nicht in Liedern gemessen, da genügen dem Kollektiv fünf, sechs für ein abendfüllendes Programm. Da kann ein Stück 40 Minuten brauchen, bis wortlos alles gesagt ist.

Das sind also Dimensionen, die dazu einladen würden, sich wie die Band zu setzen, sich dazwischen den Bart zu rasieren oder dem Leergebinde ein, zweimal die Luft rauszulassen. Anders gesagt: Die Kunst von Godspeed You! Black Emperor verlangt von ihrem Publikum Geduld. Aber es wird dafür belohnt. Und für Abwechslung ist trotz mäandernder Geschwindigkeit gesorgt. Etwa mit Filmen, die im Bühnenhintergrund laufen, die verschwörerisch und bedrohlich wirken sollen; was sie natürlich nicht sind, denn als bedrohlich empfundene Kunst gelingt ja niemandem mehr - außer vielleicht Kiss.

Maximal minimal

Nach zehn Jahren Veröffentlichungspause hat die kultisch verehrte und vorübergehend auf Eis gelegene Band eben ihr viertes Album 'Allelujah! Don't Bend! Ascend! veröffentlicht - was sie jedoch nicht als Verpflichtung sieht, alle Stücke davon live zu präsentieren. In der ausverkauften Arena beginnt das Set am Montag mit dem Hope Drone, aus dem sich ein erstes Monster schält: Mladic.

Dazu wird am Boden rumgekrabbelt und diverses Gerät befummelt. Streicher bringen sich in Position, um anschließend für Erhabenheit zu sorgen. Der Bassist wippt angriffslustig, die Perkussionisten hämmern langsam los. Der Gitarrist schlägt erste Riffs, bevor er später mit ein paar giftigen Soli klirrende Höhepunkte schaffen wird. Godspeed You! Black Emperor schaffen unbeirrbar eine wirkmächtige Kunst. Ein schwellendes Auf und Ab, das zwischen Minimal Music in maximaler Aufbereitung, derben Gitarren und Schöngeistigem oszilliert. Man muss das so esoterisch sagen.

Doch diese Musik besitzt die Kraft und die Pracht, einen mitzureißen - wie an diesem Abend. Auch wenn einen manche Stellen an die Einstürzenden Neubauten in der Krabbelstube erinnern und einem Lärmpioniere wie Glenn Branca oder Spacemen3 einfallen, die hier wie aus dem Zeitloch herüberwinken.

Zwar könnte man einwenden, dass Godspeed nur ein Lied haben. Jenes, das leise beginnt und sich dann, lauter werdend, turmhoch aufrichtet. Aber das wäre wie den Ramones ihr Lied vorzuwerfen. Wobei die schneller zum Punkt kommen. Aber auch gegen einen langsamen Höhepunkt gibt es nichts zu sagen. (Karl Fluch, DER STANDARD, 14.11.2012)