Nach der Entgleisung eines Gaswaggons im italienischen Viareggio haben die italienischen Behörden ein Auge auf die Zugsicherheit geworfen. Die ÖBB-Gütersparte bekommt das massiv zu spüren.

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Wien - Das Zugsunglück in Brixen Anfang Juni 2012 hat gravierende Nachwirkungen für die ÖBB. Die ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) darf in Konsequenz der Entgleisung eines mit Alteisen beladenen Güterzugs mit 2000 ihrer rund 30.000 Güterwagen de facto nicht mehr nach Italien einreisen. Das hat die italienische Staatsbahn Anfang Oktober verfügt.

Die Blockade werde erst aufgehoben, wenn eine Bestätigung vorgelegt wird, dass die Achsen den internationalen Normen (UIC) entsprechen, teilte Trenitalia unter Berufung auf die italienische Eisenbahnsicherheitsbehörde ANSF mit. Das Schreiben liegt dem STANDARD vor.

Reparatur-Joint-Venture in Trnava

Hintergrund dieser drastischen Maßnahme: Als Auslöser für die Güterzugentgleisung, bei der zwei Menschen verletzt wurden, haben die italienischen Behörden eine lose Radscheibe eines RCA-Güterwagens identifiziert. Der Unfall hat sich laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Bozen geradezu angebahnt: In Innsbruck wurden erste Spuren einer verschobenen Radscheibe gefunden, die sich bis Franzensfeste, zehn Kilometer vor Brixen, bereits auf 22 Millimeter verdoppelt hatte. Dort wurden "deformierte Radlenker festgestellt, die auf eine verschobene Radscheibe schließen lassen", wie ÖBB-Technische Services (TS) im "Ergebnisprotokoll" vom 22. Oktober festhält. Im Weichenbereich vor der Einfahrt in Brixen wurden dann bereits deutliche Entgleisungsspuren gefunden. Genaue Ursache und Schuldfrage sind laut dem Protokoll, das dem STANDARD vorliegt, noch nicht endgültig geklärt.

Klar ist laut ÖBB-Fachleuten allerdings, dass die nun als mangelhaft qualifizierte Aufarbeitung bzw. Revisionierung der Achsen nicht in ÖBB-Werkstätten erfolgt ist. Denn ÖBB-TS hat vor fünf bis sechs Jahren begonnen, Güterwagen-Reparaturen von (teureren) inländischen Werkstätten ins slowakische Trnava auszulagern. Die Zusammenarbeit mit dem dort ansässigen Eisenbahnwerk ZOS (gegründet 1925) war offenbar fruchtbar, sodass ÖBB-TS unter ihrem damaligen Geschäftsführer Franz Seiser (ist 2010 in den Vorstand der ÖBB-Holding aufgestiegen, Anm.) mit der zur größten Reparaturwerkstätte Zentraleuropas aufgestiegenen ZOS Trnava Group ein Joint Venture gründete.

Rückschlag für Italien-Geschäft

Nun verhandeln die Partner nicht über weitere Auslagerungen, sondern darüber, wie und wo die beanstandeten Radsätze repariert werden und wer für den Schaden aufkommt. Von den über die Jahre 6897 bei ZOS aufgearbeiteten Radsätzen sind 1804 "mit Priorität 1" zu tauschen, weitere 1685 erfüllen nicht ÖBB-Kriterien. Allein die Ausbesserungskosten werden laut TS-Papier auf 2,2 Mio. Euro taxiert, Transport- und Materialkosten nicht inkludiert. Diese Kosten wird sich die ÖBB mit ZOS Trnava teilen, sagt ÖBB-Sprecherin Sonja Horner, die den Anteil von RCA bzw. TS mit etwas mehr als einer Million angibt. Dass die beanstandeten Waggons in ein anderes Land fahren könnten, schließt sie aus. Sie würden aus Sicherheitsgründen revisioniert.

Für das aufgrund der Wirtschaftskrise angeschlagene Italien-Geschäft der RCA sind die technischen Schwierigkeiten ein weiterer Rückschlag. Die in Rail Cargo Italia (RCI) umbenannte Linea S.p.A. braucht mehr Geld zur Rekapitalisierung und reißt ein tieferes Loch in die dünne RCA-Eigenkapitaldecke. RCI hat laut Budgetplan vier Mio. Euro Kapitalbedarf - nicht zwei, wie im Oktober berichtet. Der Wertberichtigungsbedarf bei RCA beträgt "bis zu zehn Millionen Euro". (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 13.11.2012)