Wollte die grüne Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou ihrem Regierungskollegen, dem SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, eins auswischen? Seit Monaten trommelt dieser nämlich die Botschaft, dass Wien die große Ausnahme unter den europäischen Metropolen sei, wo die Mieten am freien Markt zwar auch schon sehr hoch seien, aber nur eine winzige Minderheit der Mieter überhaupt davon betroffen sei. Nur fünf Prozent, ein verschwindendes Grüppchen, hätten frei vereinbarte Mietzinse, der große Rest wohne in mietregulierten Wohnungen, alles also nicht der Rede wert.

Dass Vassilakou nun mit ihrem Vorstoß, die Mieten in Wien bei maximal sieben Euro pro Quadratmeter und Monat zu deckeln - und zwar auch im freien Markt -, ein derart großes Echo bekam, dürfte in erster Linie die Grünen darin bestärken, es doch öfter einmal mit ein bisschen Populismus zu versuchen.

Denn abgesehen davon, dass uns hier eine No-na-Volksbefragung für die Geschichtsbücher blüht, hat der Plan keine Chance auf Realisierung - zumindest nicht unter einer rot-schwarzen Bundesregierung. Diese ist nämlich bekanntermaßen für das Mietrecht zuständig; die Wiener Stadtregierung könnte im Alleingang lediglich die Wohnbeihilfe so weit erhöhen, dass kein Wiener und keine Wienerin mehr als die jetzt schon berühmten sieben Euro zahlen müsste.

Das ist in Wahrheit (wenn man von einer großangelegten Wohnbauoffensive absieht, die nicht in Sicht ist) ihre einzige Handhabe für alles, was außerhalb ihrer Gemeindebauten passiert. Selbstverständlich wird sie sich das nicht leisten, und zwar weder können noch wollen.

Der Hebel muss anderswo angesetzt werden: Das Ludwig'sche Dogma von der kleinen Minderheit stimmt nicht ganz, die Dunkelziffer liegt höher - das wissen nicht nur die Grünen, sondern auch alle anderen Beobachter des Wiener Wohnungsmarkts.

Zu einem guten Teil liegt das daran, dass Mieter von Wohnungen, die dem Richtwert unterliegen, einfach nicht genau genug über ihre Rechte Bescheid wissen: Der Vermieter darf nur bestimmte Zuschläge zum Richtwert verlangen, deren Rechtmäßigkeit man von der Schlichtungsstelle überprüfen lassen kann. (Eine erste Einschätzung gibt es online.)

Ist ein Mietvertrag befristet, muss ein 25-prozentiger Abschlag vom Mietzins gewährt werden, der bis zu ein halbes Jahr nach Beendigung des Mietvertrags eingeklagt werden kann.

Die große Schwäche des Richtwertsystems ist, dass der Vermieter erst vor der Schlichtungsstelle bekanntgeben muss, welche Zuschläge (und in welcher Höhe) Teil des Mietvertrags sind. Seit Jahren wird das von SPÖ, Grünen, Arbeiterkammer und Mietervereinigung kritisiert, seit Jahren fordern diese außerdem einen "Deckel" bei den Zuschlägen von 20 bis 25 Prozent.

Statt der Volksbefragung wäre deshalb zunächst eine großangelegte Aufklärungskampagne darüber angebracht, welche Rechte (und Möglichkeiten zu deren Durchsetzung) man als Mieter hat.

Andererseits trägt auch die absurde Zersplitterung des österreichischen Mietrechts nicht gerade zur besseren Aufklärung der Bevölkerung bei: Ob die eigene Mietwohnung in den Voll- oder nur in den Teilanwendungsbereich des Mietrechts fällt oder ob das Mietrecht gar nicht gilt, sondern nur das ABGB, ist für viele Privatmieter undurchschaubar.

Die Forderung nach dem "einen Mietrecht für alle Wohnungen" steht seit längerem im Raum, auch die Vermieter wollen es. Hier müssten sich auf Bundesebene SPÖ und ÖVP endlich auf ein neues Wohnrecht einigen.

Seit Jahren versagt die Politik hier leider völlig, das Recht geht von den Gerichten aus - ein untragbarer Zustand. Und er dürfte, wie auf den kürzlich abgehaltenen "Wiener Wohnrechtstagen" gemunkelt wurde, auch in der kommenden Legislaturperiode anhalten.

Es ist ein klägliches Weiterwursteln auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter. Wenn Vassilakous Vorstoß hier etwas bewegen sollte, dann war er berechtigt. (Martin Putschögl, derStandard.at, 12.11.2012)