Ich möchte Herrn Wolfgang Ainberger in seiner Kritik an der Filmauswahl des Viennale-Leiters Hans Hurch ("Hurchiade statt Viennale?", STANDARD, 1. 11.) entschieden widersprechen. Als eingefleischter Viennale-Fan der ersten Stunde stimme ich speziell mit der Programmauswahl des jetzigen Viennale-Leiters voll überein.

Der österreichische Film - und so auch sein warmherziger Fürsprecher Wolfgang Ainberger - scheint das larmoyante Jammern gepachtet zu haben. Dass ein Regisseur Ulrich Seidl seinen umstrittenen Film nur deshalb zurückzieht, weil er um 18 Uhr, also nicht zur Hauptabendzeit, gezeigt werden soll, ist derart kindisch, eitel und überzogen, dass ich dafür kein Verständnis aufbringe. Auch Filme von Werner Herzog wurden um 18 Uhr gespielt. Ich war häufig in 18-Uhr-Filmen.

Ganz nebenbei: Ulrich Seidls Film hätte ich mir auch im Hauptabend nicht angesehen. Die Minderheit, die Seidls Film sehen möchte, wird ihn mit Sicherheit noch lange in einem Art-Kino sehen können.

Unter den neun Filmen, die ich mir heuer ausgesucht habe, waren zwei österreichische: Der lehrreiche und schöne Film "The crazy story of Wilhelm Reich" über einen österreichischen Emigranten, sehr schön, sehr informativ, große Schauspiel- und Kamerakunst. Und die neuen Kurzfilme von Peter Kubelka.

Genaugenommen will ich aber nicht vorrangig österreichische Kinofilme zur Viennale sehen, schon gar nicht die in den letzten Jahren geförderten, die mehrheitlich in grindiger Prolo-Subkultur spielen, in die manche österreichische Filmemacher verliebt scheinen.

Worauf es mir ankommt bei der Viennale - und was Hans Hurch für meine Begriffe großartig umsetzt -, ist der Blick in Gesellschaften und in das Filmschaffen anderer Länder, und zwar ein Blick mit Empathie. So wirken in mir Filme wie jener saudi-arabische noch immer nach, der von dem Mädchen "Wadja" handelt, das gerne Fahrrad fahren möchte.

Solche Fenster in die beschwerlichen, ungeförderten Filmproduktionen völlig anderer Kulturen machen die Viennale für mich heute spannend und sehenswert. Für Filme aus Vietnam, Mexiko, China, aber auch Frankreich stelle ich mich immer wieder auch in langen Warteschlangen an.

Was Herr Ainberger zu erwähnen vergisst: Das Publikum scheint Herrn Hurch mit seiner Auswahl recht zu geben. Das Gartenbaukino ist bereits viel zu klein, um dem Ansturm des wunderbaren Publikums quer durch alle Altersschichten gerecht zu werden, ich fand den Saal mit rund 730 Sitzen in jeder Vorstellung knallvoll vor.

Es ist tatsächlich so, dass ich mich in den Anfängen der Viennale als Studentin noch auf den Stufen vor dem Forumkino stehen sehe, um den angesagten US-Blockbuster nicht zu versäumen. Mit der gleichen Erwartung, Spannung und Aufregung stelle ich mich heute als Großmutter immer noch an.

Ich wünsche der Viennale noch viele weitere Jahre unter dem mir sehr genehmen Geschmacksdiktat des Hans Hurch. (Senta Radax-Ziegler, DER STANDARD, 10./11.11.2012)