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Was ist ein guter Text? Benjamin Rubin (Herbert Föttinger) und Martin Wegner (Florian Teichtmeister) können sich nicht einigen.

Foto: APA/SEPP GALLAUER

Wien - Daniel Kehlmann, soeben mit dem Nestroy-Preis als bester Autor ausgezeichnet, hat Gefallen an der Déformation professionnelle männlicher Geistesgrößen. Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß waren es im Bestsellerroman Die Vermessung der Welt, im Dramenerstling Geister in Princeton der Mathematiker Kurt Gödel. Der Mentor nun handelt von einem Großschriftsteller und seinem jungen Schützling, zwei meinungsstarken Intellektuellen, die ein Kulturförderprojekt auf einem Anwesen nahe einem "verschilften Weiher" zusammenführt.

Der Ältere möge dem Jüngeren Ratschläge erteilen. Es entspinnt sich ein Konflikt über die Qualität eines Theatertextes. Die Sache geht naturgemäß schief, der Mentor begeistert sich am Ende mehr für die Gattin des Dichterlings als dessen Werk.

Die geharnischten Reden lässt Herbert Föttinger in seiner Uraufführungsinszenierung am Theater in der Josefstadt langsam und wirkungsvoll aufeinander zurollen. Es wird in den hundert Theaterminuten nie fad, auch weil die Dialoge in ihrer manchmal Thomas-Bernhard'schen Hybris provozieren. Insbesondere der Mentor selbst - sein Name ist Benjamin Rubin - lässt hinter seiner edlen Maske einen abgeklärten Mann erkennen, der meint, Kunst sei halt nun einmal subjektiv.

Einer seiner schönen Sätze an seinen Berufskollegen Martin Wegner (Florian Teichtmeister) lautet: "Es heißt nicht, dass Sie nicht begabt sind, nur merkt man es nicht."

Die besondere Herausforderung des Abends lag im Umstand, dass Hauptdarsteller Michael Degen unmittelbar vor der Premiere ausfiel. Intendant und Regisseur Herbert Föttinger hat den Titelpart spontan übernommen und den Job mehr als nur handwerklich erfüllt. Ein notwendiger Kraftakt, denn der Wunsch des Theaters, Michael Degen in die Rolle zurückkehren zu sehen, wird sich nicht erfüllen. Kardiologen haben dem 80-jährigen Schauspieler nach einer Schwäche strikt davon abgeraten.

Schöpfer und Sekretärin

Den altväterlichen Charakter dieses Stücks kann aber auch Föttingers wuchtig-gefährliche Präsenz nicht abstreifen helfen. Kehlmann bedient sämtliche billige Klischees einer Männerwelt, die man selbst am Boulevard heute nur als Scherz begreifen kann: Männer sind Schöpfer; Frauen deren Sekretärinnen. Der Gattin des jungen Dichters, Gina (Ruth Brauer-Kvam), wird keine eigene Meinung zugetraut. Sie darf von Natur (Frösche im Weiher) und Kinderkriegen sprechen und das Manuskript ihres Gatten überreichen. Dann lässt sie sich vom Mentor auch noch flachlegen, worüber die beiden Herren rasch ihr Einvernehmen finden.

Was steckt hinter diesem ausgestellten Chauvinismus? Eigentlich nichts. Das Stück behauptet nicht mehr zu sein als eine Komödie über einen Generationenkonflikt im Kunstdiskurs. In diesem ist Kehlmann selbst ein Proponent, der die Bandbreite zeitgenössischer Theaterästhetik dermaleinst in Salzburg pauschal verunglimpft hat. So altmodisch wie Kehlmanns Stück ist die Inszenierung aber nicht. Wiewohl sie die Deutung der Gina als die prototypische sexy Lady verstärkt.

Föttinger rückt das Konversationsstück in einen Möglichkeitsraum. Vor der Feuermauer stehen lediglich Gartenmöbel, die ein Funktionär (Siegfried Walther) bei Bedarf jeweils neu verrückt. Zu Beginn (die Begebenheit wird aus der Rückblende erzählt) regnet es Kieselsteine, und auf knirschendem Kieselboden wird dann auch gespielt (Bühne: Herbert Schäfer). Ein Knirschen, das sich bis in die Körper der Figuren fortsetzt.

In Abwandlung von Benjamin Rubins Diktum könnte man Kehlmann nun sagen: Man merkt, dass Sie begabt sind, nur heißt das nicht, dass dieses Stück von relevantem Inhalt ist, sehr wohl aber chauvinistisch.  (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 10./11.11.2012)