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Justin Welby, Kirchenoberhaupt

Foto: Reuters/Martinez

London - Der frühere Erdölmanager Justin Welby ist am Freitag zum neuen Erzbischof von Canterbury und damit zum geistlichen Oberhaupt von etwa 80 Millionen Anglikanern weltweit ernannt worden. Dies teilte die britische Regierung mit. Der 56-jährige Welby, bisher Bischof von Durham, tritt damit die Nachfolge des 62-jährigen Rowan Williams an, der zum Jahresende nach fast zehn Jahren aus dem Amt scheidet.

Welby bezeichnete seine Ernennung als "zugleich überraschend und aufregend". "Ich habe das niemals erwartet, und die vergangenen Wochen waren, vorsichtig ausgedrückt, eine sonderbare Erfahrung", sagte er bei einer Pressekonferenz in London. Zugleich kündigte Welby erwartungsgemäß an, sich für die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt einsetzen zu wollen. "Ich schließe mich den vielen Stimmen an, die diese Änderung von der Synode erwarten", sagte er.

Der fünffache Familienvater Welby ist erst seit einem Jahr Bischof. Nach einem Studium an der Universität Cambridge arbeitete er in Paris und London elf Jahre lang in der Erdölindustrie, bevor er Anfang der 1990er Jahre - mit bereits 37 Jahren - zum Priester geweiht wurde. Im Gegensatz zum als liberal geltenden Williams gehört Welby zum konservativen Flügel der Kirche von England. Gleichgeschlechtliche Ehen lehnt er ab, befürwortet jedoch die Weihe von Frauen zu Bischöfinnen. In der Finanzkrise kritisierte er mangelnde soziale Verantwortung bei Finanzgeschäften.

Feierliche Übernahme im März 2013

Am 21. März 2013 wird Welby den Kathedralsitz von Canterbury feierlich übernehmen, wie Kathpress berichtete. Welby wird der 105. Erzbischof von Canterbury, seit der Papst im Jahr 597 den heiligen Augustinus nach Kent entsandte. Der Waliser Rowan Williams war 2002 als erster Nicht-Engländer Primas von England geworden. Bei seinem Amtsantritt galt er als progressiver und liberaler Intellektueller. Konflikte innerhalb der anglikanischen Weltgemeinschaft brachten ihn immer mehr in eine vermittelnde Position zwischen dem liberalen und dem konservativen Flügel.

Zur Zerreißprobe wurden die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt, der Umgang mit homosexuellen Geistlichen sowie die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Beobachter erwarten, dass Welby als Mitglied des evangelikalen Kirchenflügels einen konservativeren Kurs steuern wird als der Liberale Williams.

Weltweit gehören der anglikanischen Kirche etwa 77 Millionen Mitglieder an. Außerhalb Englands gibt es 26 anglikanische Kirchenprovinzen, darunter in den USA, Australien und mit wachsender Bedeutung in mehreren afrikanischen Ländern. Der Erzbischof von Canterbury ist "Primus inter pares" (Erster unter Gleichen), hat also keine Weisungsbefugnis für die 26 Nationalkirchen. (APA, 9.11.2012)