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Rod Stewart war der Auslöser. Bei einem Konzert in den 1960ern in einem Klub in New York trank er Mateus Rosé aus einer Flasche und reichte sie in die erste Reihe weiter. Dort stand auch Teenager Terry Theise und nahm einen kräftigen Schluck. Für ihn war dieses Ereignis nicht erbaulich wie so viele Initiationserlebnisse beim Wein, sondern "ekelhaft". Doch eine Idee setzte sich fest, und deshalb trat Wein in sein Leben: "Wein ist cool, Rockstars trinken ihn. Ich will auch ein Rockstar sein." Alles Weitere besorgten dann die Bücher von Hugh Johnson und viele Aufenthalte in Deutschland, wo der Riesling zu Theises großer Liebe wurde. Um seinem Lieblingssaft nahe sein zu können, wurde er Weinhändler. Österreich verehrt er, seit ihn der anglogermanische Weinschreiber Stuart Pigott in den 1980ern darauf aufmerksam machte.

Was für ihn guter Wein ist, erklärt er anhand von drei Grundsätzen: Im Wein soll dessen Herkunft ausgedrückt sein. Allen hehren Werten zum Trotz sollte man nie auf den Spaß vergessen. Und: Weintrinken kann uns zum Schwelgen bringen, und das sollen wir auch zulassen.

STANDARD: Können wir tatsächlich einfache Genüsse nicht mehr schätzen, wenn wir immer nur auf Erhabenes bestehen?

Theise: Der Weintrinker ist abgerichtet darauf, dass der höher bewertete Wein dem niedriger bewerteten vorzuziehen ist. Das mag richtig sein, wenn man Wein jetzt nur beurteilen muss. Es stimmt aber nicht mehr, wenn man Wein "verwendet". Welchen Wein würde man zum Beispiel zu einer Meeresfrüchteplatte trinken, wie man sie in Frankreich bekommt? Wenn man sich für Sauvignon Blanc und Österreich entscheidet, würde man eher zu einer Steirischen Klassik als zu einem Lagenwein oder zu einer Reserve greifen. Man möchte im Grunde den niedriger bewerteten Wein.

STANDARD: Warum ist das wichtig?

Theise: Gerade auf der Suche nach dem richtigen Wein zum Essen, kommt man immer wieder auf diese "fun wines" zurück, köstliche Weine, bei denen man dann kaum glauben kann, dass die Flasche leer ist. Auf große Weine reagiert man mit Bewunderung, auf Weine, die einfach nur köstlich sind, mit einem spontanen Gefühl von Freude. Die Deutschen sagen: Das Bessere ist der Feind des Guten. Ich glaube wirklich, dass das so ist.

STANDARD: Kann man Geschmack entwickeln, trainieren, lernen?

Theise: Das kann man. Man sollte für sich ein System entwickeln, irgendeines. Versuchen Sie längere Zeit hindurch eine einzige Rebsorte zu trinken, und das aus der ganzen Welt. Wenn Sie davon genug haben, wechseln Sie zur nächsten. Dann bekommt man ein ziemlich tiefes Verständnis für die Unterschiede und wie sie innerhalb der Sorte variieren. Das System hat für mich gut gepasst, vielleicht passt es ja auch für jemanden andern.

STANDARD: Sie kritisieren Neue-Welt-Weine wegen ihrer industriellen Fertigung und ihrer süßen Mächtigkeit und sprechen mit großer Hingabe von deutschen Weinen, die auch eine gewisse Süße haben. Was ist der Unterschied zwischen kalifornischer Süße und der Süße in deutschen Weinen?

Theise: Es ist der riesige Unterschied zwischen einem Stück Torte, das sehr üppig ist, und der Süße eines perfekt ausgereiften Apfels. Es ging mir nie um Süße per se, es geht immer um die Balance einzelner Weine. Aber ich orte eine gewisse puritanische Haltung der Süße gegenüber, als ob sie etwas Böses wäre. Aber das ist falsch.

STANDARD: Ist diese Reserviertheit gegenüber süßem Wein eine typisch österreichische Haltung?

Theise: Scheint so. Nach dem Weinskandal wollten sich die Österreicher von anderen, auch den Deutschen, unterscheiden. Was verständlich ist. Nur sind sie vielleicht ein bisschen zu weit in die andere Richtung gegangen. Ich verkoste immer wieder sehr gute Weine, die vielleicht noch um einen Tick besser wären, wenn man ihnen drei oder vier Gramm Zucker gelassen hätte. (Was laut Weingesetz immer noch "trocken" wäre, Anm.).

STANDARD: Muss Wein einfacher gemacht werden? Es gibt Marketing-Leute, auch in Österreich, die behaupten, dass die Informationen auf den Etiketten zu kompliziert seien.

Theise: Da fällt mir DAC ein, das eine nicht notwendige Verkomplizierung war. Es hilft nicht weiter. Meiner Meinung nach sollten die Österreicher sehr, sehr stolz darauf sein, was in den letzten 25 Jahren geschaffen wurde, und das ausdrücken, indem sie sagen: "Wir haben es nicht notwendig, ein Herkunftssystem einzurichten, das Systeme imitiert, die nicht einmal in ihren Ursprungsländern besonders gut funktionieren - sondern wir finden unserer eigenen Weg." Warum etwa kann nicht alles, was unter Kamptal verkauft wird, auch zu 100 Prozent aus dem Kamptal kommen? Der Lagenklassifikation hingegen bin ich freundlich gesonnen, vor allem der Kennzeichnung durch ein eindeutiges Symbol. Im Unterschied zu DAC ist das eine klare Information.

STANDARD: Was ist der richtige Platz für Wein in einem Leben?

Theise: Er ist ein Freund, der einem hilft, das Leben in vielerlei Hinsicht zu verbessern. Es muss nicht immer derselbe Freund sein, denn es gibt welche, mit denen man shoppen geht, mit denen man sich einen Film ansieht oder mit denen man redet, wenn man Probleme hat. Das ist ein ganzer Haufen von unterschiedlichen Freunden. (Luzia Schrampf, Rondo, DER STANDARD, 9.11.2012)