Unverminderte szenische und vokale Intensität: Plácido Domingo in der Titelrolle von Giuseppe Verdis "Simon Boccanegra".

Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Wien - Unglaubliche 45 Jahre ist sein Debüt an der Wiener Staatsoper her, und immer wieder kann man sich einfach nur wundern, wie es Plácido Domingo nach wie vor schafft, noch immer mit solchem vokalen Glanz zu agieren - gleich, ob er nun Jahrgang 1941 ist, wie er selbst angibt, oder doch um einiges älter, wofür einige Indizien sprechen würden.

All das ist unerheblich, wenn der gefeierte Tenor, der sich seit drei Jahren auf Bariton-Rollen verlegt hat, auf einer Bühne erscheint. Mit der Titelpartie von Verdis Simon Boccanegra hat er in diesem Fach 2009 in Berlin debütiert, nun sang er sie auch wieder in Wien - und das mit unverminderter Präsenz und Energie.

Schwer zu sagen, was man mehr bewundern soll: die - trotz minimaler, aber nur ansatzweise spürbarer Ermüdungserscheinungen - technische Beherrschung seiner Stimme, die Domingo vollendet runde Phrasen, Homogenität und Flexibilität etwa bei der Zurücknahme von Tönen erlaubt, oder seine darstellerische Kraft.

Ein elektrisiertes Opernhaus

Beides zusammen führt jedenfalls zu einer Intensität, die ihm eine singuläre Größe verleiht. Neben dem Glanz und Leiden des Protagonisten reagierten auch seine Mitstreiter ebenso elektrisiert wie das gesamte Opernhaus: die an sich ein wenig herb grundierte Amelia von Barbara Haveman steigerte sich zu glühenden Phrasen, Ramón Vargas gab dem Adorno metallisches Schmettern und fragile Lyrismen. Markant und wuchtig Ain Anger (Fiesco), schön verschlagen Eijiro Kai (Paolo), der sich allerdings - nicht als einziger - erst mit dem Dirigat von Philippe Auguin anfreunden musste.

Zwar musizierte das Orchester mit ihm vibrierend und hochexpressiv, die Koordination mit der Bühne und vor allem mit dem Chor ließ aber allzu oft zu wünschen übrig. Dem Triumph des großen Sängers und seiner Kollegen tat dies freilich keinerlei Abbruch.

Dass man nebenbei den prominenten Namen zum Anlass nahm, um - bei erhöhten Eintrittspreisen - eine Initiative zu unterstützen, welche die " Gesundheitssituation sozial schwächerer Mitmenschen" verbessern möchte, war mehr als eine schöne Geste. Etwas mehr von solcher Solidarität wäre auch andernorts zu wünschen.  (Daniel Ender, DER STANDARD, 9.11.2012)