Das sind ziemlich dicke Wolken, die am europäischen Konjunkturhimmel aufziehen. Die EU-Kommission musste ihre Prognosen neuerlich nach unten revidieren, wobei sich vor allem die Rezession in den Krisenländern als viel hartnäckiger erweist als bisher befürchtet. Nachdem schon der Währungsfonds etwas reumütig eingestanden hatte, dass der angepeilte Schuldenabbau die Wirtschaftsleistung viel stärker als erwartet drückt, kommen nun ähnliche Töne aus Brüssel.

Folgt nun auf den Sparreigen die Fiskalexpansion? Das brächte wahrscheinlich nur einen Aufschub der notwendigen Sanierung. So schmerzhaft die Folgen der Wirtschaftsflaute insbesondere am Arbeitsmarkt sind: Ohne die Lösung der Strukturprobleme könnten Spanien, Griechenland und Portugal nur mit permanenten Transferzahlungen in der Währungsunion gehalten werden. Dass sich das Zahlmeister Deutschland leisten will (und kann), darf bezweifelt werden. Da Währungsabwertungen nicht möglich sind, bleibt nur die interne Rosskur, also Senkung der Löhne und Preise, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wobei dazugesagt sei, dass die jetzigen Einbußen auf jahrelange Exzesse folgen, in denen die Produktivität gegenüber Deutschland um bis zu 40 Prozent sank.

Einen Lichtblick gibt es: Sowohl bei der Budgetsanierung als auch bei den Lohnstückkosten und folglich im Außenhandel greifen die Reformmaßnahmen langsam (und in unterschiedlichem Ausmaß). Diesen Weg hat übrigens Lettland bereits hinter sich: Heuer wächst die Wirtschaft im baltischen Staat nach harten Einschnitten um mehr als vier Prozent, das ist ein Rekordwert in der Union.

Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit stellt sich freilich zusehends die Frage, ob die Therapie durchgehalten werden kann. Doch hier gibt es einen Zusammenhang, der gerne totgeschwiegen wird: Die Sparprogramme der Regierungen sind bei weitem nicht der Hauptgrund für die Job-Misere. Vielmehr ist eine Anpassung der jahrelang überproportional gestiegenen Löhne bisher ausgeblieben. Das gilt vor allem für Spanien, doch selbst in Griechenland sind die Einbußen marginal. Bei rückläufiger Nachfrage bleibt den Unternehmen nur die Freisetzung von Arbeitskräften.

Hier müssen sich die Gewerkschaften die Frage gefallen lassen, ob sie mit ihrem Widerstand nicht massiv zur hohen Arbeitslosigkeit beitragen. Und somit den Preis der Euro-Mitgliedschaft zusätzlich erhöhen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 8.11.2012)