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Politikern, die Insiderinfos zu Kursen von Staatsanleihen missbrauchen, drohen hohe Strafen.

Foto: EPA/Zipi

Für Abgeordnete, die in den Sonderausschüssen zum Rettungsschirm ESM sitzen, soll das Bankgeheimnis nicht mehr gelten. Umstritten ist, dass auch die parlamentarische Immunität bei ESM-Aktionen fallen soll.

 

Wien - Umfassende Offenlegungspflichten kommen auf jene Nationalratsabgeordneten zu, die in den beiden Sonderausschüssen für Aktivitäten des Euro-Rettungsschirms ESM sitzen. Laut einem Entwurf des Finanzministeriums, der dem Standard vorliegt, müssten sie sogar " unwiderruflich bestätigen", dass für sie das Bankgeheimnis aufgehoben wird.

Umfassende Aufsichtsrechte kämen demnach Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SP) zu. Ihr müssen die Abgeordneten (und deren Mitarbeiter) zunächst in einem "verschlossenen Briefumschlag" mitteilen, welche Konten bzw. Depots sie bei welchen Banken haben bzw. welche Zeichnungsberechtigten es sonst gibt.

Stichprobenartige Routineprüfungen

Jedes beabsichtigte Wertpapiergeschäft muss - "unter Angabe des Finanzinstruments, der Geschäftsart und der Stückzahl bzw. des Nominalwerts" im Vorhinein bei der Nationalratspräsidentin beantragt werden. Nur wenn es Prammer nicht binnen 24 Stunden untersagt, darf es tatsächlich abgeschlossen werden. Weiters kann die Präsidentin eine " Sperrliste" an konkreten Finanzinstrumenten erstellen, von deren An- und Verkauf die Politiker generell absehen müssten.

An Prammer liegt es auch, "stichprobenartige Routineprüfungen zur Einhaltung der Bestimmungen" durchzuführen. Da das Bankgeheimnis nicht mehr gelten würde, wäre eine "jederzeitige Depoteinsicht" möglich.

Der Hintergrund des Entwurfs: Das Parlament hat sich im Vorfeld der ESM-Entscheidung umfassende Mitwirkungsrechte ausbedungen. Nur wenn die Abgeordneten ihr Ja deponieren, darf Finanzministerin Maria Fekter (VP) auf EU-Ebene zustimmen. Besonders heikel wird es, wenn der ESM Staatsanleihen eines angeschlagenen EU-Landes aufkaufen will, um so dessen Zinslast zu senken.

Werden solche Pläne zu früh publik, könnte die Wirkung an den Märkten verpuffen. Daher gibt es eine Geheimhaltungspflicht für die Politiker. Sie gilt für alle Insiderinfos, die geeignet sind, "den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen". Wird die Schweigepflicht verletzt, drohen drei Jahre Haft.

Angst vor Hedgefondsklage

Darüber hinaus schlägt das Finanzressort auch vor, dass die parlamentarische Immunität für die Entscheidungen der ESM-Sonderausschüsse nicht gelten soll. An sich sind die Abgeordneten im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit vor der Strafverfolgung geschützt. Nur wenn der Nationalrat die Aufhebung der Immunität beschließt, darf von der Justiz ermittelt werden.

Der Vorschlag, von diesem Prinzip abzugehen, sorgt nun in der SPÖ für Aufregung, wie zu hören ist. Fällt die Immunität, könnte jeder Hedgefonds die Nationalratsabgeordneten klagen, wenn diese beispielsweise einem Schuldenschnitt zustimmen, wird argumentiert. Außerdem seien die Finanzminister im Rahmen des ESM sehr wohl immun.

Der Entwurf des Ministeriums sei "unbrauchbar". Nun will man einen eigenen Vorschlag zur Reform der Geschäftsordnung ausarbeiten. Da die Regierungsparteien dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen, müssten auch Teile der Opposition zustimmen. Allerdings: FPÖ und BZÖ haben noch alle ESM-Beschlüsse abgelehnt. Die Grünen waren zuletzt der Ansicht, dass die bestehenden Gesetze ausreichend seien. Gibt es keine Einigung, könnte der Sonderausschuss für die ESM-Anleihenkäufe nicht tagen. (Günther Oswald, DER STANDARD, 8.11.2012)