In der Wahlnacht im Bild - gleich mehrfach: Der Fernsehsender abc hat fast jeden verfügbaren Bildschirm am New Yorker Times Square gemietet.

Foto: abc

Es war eine der peinlichsten Nächte für viele US-Journalisten. In der Wahlnacht 2000 wechselte Florida gleich mehrfach die Farbe. US-Fernsehsender riefen sowohl einen Sieg für den damaligen Vizepräsidenten Al Gore als auch für seinen republikanischen Herausforderer George W. Bush aus. Das Rennen war zu knapp um eine genaue Prognose abgeben zu können - das hielt zahlreiche US-Medien jedoch nicht davon ab, wild zu spekulieren, wer der Sieger sein könnte. Letztlich wurde die Entscheidung über den Wahlausgang im Supreme Court, dem obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, getroffen.

Doch die Medienschlappe in der US-Wahlnacht war vielen Journalisten eine Lehre. Seither beschränken sich alle großen Fernsehsender in den USA mit dem Ausrufen eines Wahlsiegers bis nach 23 Uhr Washingtoner Zeit (5 Uhr MEZ) zu warten. Dann haben auch die Wahllokale an der Westküste geschlossen. Auch sonst haben US-Medien Lehren gezogen, wie die New York Times in einem Artikel berichtet. Beim US-TV-Giganten NBC etwa, sind die Statistiker, die die Projektionen für die einzelnen Bundesstaaten errechnen, hermetisch vom Rest der Nachrichtenmannschaft abgeriegelt, wie der Vizepräsident für Spezialberichte von NBC News erläutert.

Internet

Die großen Networks und Nachrichtensender werden sich an derartige Selbstregulierungen halten. Anders werden sich aber viele Webseiten, Blogs und Personen auf Twitter und Facebook reagieren. Bereits im Jahr 2008 sind die Webseiten von Slate und des Time Magazines vorgeprescht und haben einen Sieg lange vor den großen US-TV-Stationen erklärt.

Dieser Umstand hat die Associated Press, die größte Nachrichtenagentur der USA, dazu bewegt, ein Memo auszuschicken, in dem die Mitarbeiter dazu angehalten werden, mögliche Entscheidungen in einzelnen Bundesstaaten nicht frühzeitig über soziale Medien zu verbreiten.

TV-Schlacht

So vorsichtig US-Medien bei der Verkündung eines Wahlgewinners sein werden, so großzügig sind sie beim Einsatz von Material und Personen. Vor allem im Fernsehen, für viele Amerikaner nach wie vor die wichtigste Informationsquelle, werden keine Kosten und Mühen gescheut.

Die Networks - Amerikas TV-Giganten - werden ihre Startmoderatoren aufbieten, der Sender ABC hat fast alle verfügbaren TV-Schirme am New Yorker Times Square gemietet, um die Wähler auf den Straßen New Yorks mit den neuesten Hochrechnungen zu versorgen. NBC hat sein Studio wie jedes Wahljahr vor dem Rockefeller Center aufgebaut und den Platz schlicht in "Democracy Plaza" umbenannt.

Der Nachrichtensender CNN hat zeitgerecht vor den Wahlen sein Korrespondentenbüro in Washington zum Wahlkampfstudio umgebaut und will - wie jedes Wahljahr - mit technischen Raffinessen und einem riesigen Aufgebot an Reportern die Zuschauer vor die Schirme locken. Einzig Gäste ins Studio "beamen" - wie dies der Sender 2008 gemacht hat - will CNN dieses Jahr nicht. (stb, derStandard.at, 6.11.2012)