Der US-amerikanische Satiriker Jack Handey bekennt: "Für mich ist Boxen wie Ballett. Allerdings gibt es beim Boxen keine Musik, keine Choreografie, und die Tänzer verprügeln sich gegenseitig."

Eine ähnlich paradoxe Botschaft vermittelte ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger in seiner "Wirtschaft. Wohlstand. Werte" betitelten Parteitagsrede letzte Woche. Ihre zentrale These lässt sich so beschreiben: "Für mich entspricht die heute gehaltene programmatische Rede den christlich-sozialen Grundsätzen meiner Partei. Allerdings geht es mir weder um soziale Gerechtigkeit noch um die unantastbare Würde des Menschen. Unantastbar sind für mich vor allem Privateigentum und Einkommen der Reichen."

In ihrem geltenden Programm von 1995 erklärt die ÖVP, ihre Grundsätze würden auf dem christlich-humanistischen Menschenbild beruhen. Nach dem Salzburger Programm von 1972 ist die katholische Soziallehre sogar das Fundament ihrer Politik. Es ist für mich als katholischer Sozialethiker deshalb reizvoll, Spindeleggers rhetorische Strategie, das Bemühen um soziale Gerechtigkeit als "Neid", die Umverteilung von Macht und Einkommen als "Gleichmacherei" zu diffamieren, mit Aussagen der katholischen Soziallehre zu konfrontieren.

Arme und Reiche

In seiner Parteitagsrede verkündete Spindelegger: "Die Armut aber beseitige ich nicht durch das Schüren von Neid. Oder durch kalte Enteignung derer, die mehr haben. Die Armen werden nicht reicher, wenn ein paar Reiche ärmer werden!" Das klingt fatal nach Mitt Romney. Die katholische Soziallehre sieht das ganz anders: "Es ist nicht dein Gut, mit dem du dich gegenüber dem Armen als großzügig erweist. Du gibst ihm nur zurück, was ihm gehört. Denn du hast dir herausgenommen, was zu gemeinsamer Nutzung gegeben ist. Die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen. Das Privateigentum ist also für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht. Niemand ist befugt, seinen Überfluss ausschließlich sich selbst vorzubehalten. ... Das Gemeinwohl verlangt deshalb manchmal eine Enteignung von Grundbesitz, wenn dieser dem Gemeinwohl hemmend im Wege steht" (Paul VI., Enzyklika Populorum Progressio von 1967).

Gegen Ende seiner Rede beschwor Spindelegger die zentralen Werte der ÖVP, auf denen ihre Politik beruht: "Freiheit, Fleiß, Tatkraft, Zuversicht und Eigenverantwortung". Der Kontext, in dem diese Werte genannt werden, präzisiert sie zugleich: Freiheit und Fleiß, um ordentliche Profite zu erwirtschaften (Beispiel Mateschitz); Tatkraft, Zuversicht und Eigenverantwortung, um Vermögen anzuhäufen und den geschaffenen Reichtum gegen die 47% an Sozialschmarotzern und Neidern, die es in jeder Gesellschaft gibt, zu verteidigen: Spindelegger und Romney unisono.

Ganz anders klingt es aus päpstlichem Mund: "Es haben sich Vorstellungen in die menschliche Gesellschaft eingeschlichen, wonach der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts darstellt. Dieser ungehemmte Liberalismus führte zum Imperialismus des internationalen Finanzkapitals. Man kann diesen Missbrauch nicht scharf genug verurteilen" (Paul VI., a. a. O.). (Kurt Remele, DER STANDARD, 3.11.2012)