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Der Viennale-"Guru" und ...

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... die "Vogue"-Diva (unten): Wie viel Anna Wintour steckt in Hans Hurch? Verkommt das Festival zum Catwalk für persönliche Vorlieben?

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"Mr. Austro-Film" Wolfgang Ainberger.

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Ein Festival muss die Eigeninteressen wahrnehmen und sie im Zweifelsfall über die Interessen der anderen stellen." Als charismatisch agierender Guru sieht sich Hans Hurch als einzig wahrer Kenner und Bewahrer von Festival-tauglichen Filmen. Das ist zynisch und totalitär. Hurch sagt, er könne nur das programmieren, was ihm gefällt. Damit ist er eine Art Anna Wintour in der ersten Reihe neben dem Festival-Laufsteg.

Man kann allerdings sehr wohl bestimmte Filme nicht mögen, aber deren Qualität anerkennen. Die Viennale zeigt nicht die besten und innovativsten Filme der Welt, sondern viele "Justamentfilme" von oben ernannten Gnaden. Avantgarde als Opas Kino, im Kontext einer immer deutlich werdenden Erstarrung. Der Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz, hat eben in einem Zeit-Interview gesagt: "Politik steht zur Zeit extrem schlecht da ... Politiker zu sein tut charakterlich wahrscheinlich nicht ewig gut." Dies trifft auch auf zu lange in städtischer Kunstverwaltung dienende Sesselkleber zu.

All seine Vorgänger haben es da anders gehalten, Helmuth Dimko, Werner Herzog wie auch Alexander Horwath und ich. Denn nur jahrelang tausende Filme zu besichtigen und auszuwählen, führt zum cineastischen Burnout. Hurch verweist gern auf seine steigenden Besucherzahlen und vergisst dabei ganz die Aufbauarbeit seiner Vorgänger.

Am schlimmsten aber hat es den österreichischen Film getroffen, obwohl es zu den unverrückbaren Aufgaben jedes Festivals zählt, dem Film des eigenen Landes einen besonderen Platz einzuräumen. Das Verhalten Ulrich Seidl gegenüber hat nur einen schon fünfzehn Jahre siedenden Kessel zum Explodieren gebracht. Zu schlechtem Ende wurde ihm noch von Hurch neurotisches Verhalten unterstellt.

Wunderbar, dann sind nun alle österreichischen Filmschaffenden schwer betroffene, gefährliche Neurotiker. Nur Herr Hurch, lassen Sie es sich gesagt sein: Jeder Künstler ist Neurotiker und von Angst gebeutelt und durch Krisen gejagt, denn sonst könnte er nicht sein Innerstes umsetzen.

Bei einem Treffen, kurz nach seinem Amtsantritt, ersuchte ich ihn mit allem Nachdruck, den österreichischen Film nicht zur Seite zu schieben. Denn schon damals war nicht nur Insidern bekannt, wie gering er diesen einschätzte. Michael Haneke und viele andere standen damals schon auf der "roten Liste". Dieses beschämende Schauspiel wiederholte sich Jahr für Jahr, und wenn Österreichisches gezeigt wurde, war das oft ratlos machende Schambedeckung,

Die Viennale müsste in der Lage sein, treffsicher Talente zu erkennen und diese prominent auf die Leinwand zu bringen. Was Hurch aber nicht kann oder nicht will. All seine Vorgänger wussten dem Austro-Film den ihm gebührenden Platz einzuräumen, obwohl das in den Jahren der Dürre oft schwer war. Jetzt, wo dieser von Erfolg zu Erfolg eilt, hat sich justament erst recht nichts geändert. Mein trefflicher Viennale-Partner Alexander Horwath und ich haben es zu den wichtigsten Aufgaben gezählt, diese österreichische Auswahl zu treffen. So kamen meist um die 40 bis 50 Produktionen auf allen Schienen zusammen. Diese Vorstellungen waren immer sehr gut besucht, bis zu 400 Gäste aus der ganzen Welt hatten wir meist eingeladen, und die wollten gerade die österreichischen Filme kennenlernen; und durch deren mediale Rezeption machte sich diese Einladungspolitik in alle Richtungen bezahlt.

Hurch ist in fünf Jahren 65, er ist irgendwo in den 1960er- und 1970er-Jahren stecken geblieben, und eine ganze Generation junger Festivalbesucher ist seinem Geschmack auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Zeit, dass endlich ein junger hungriger Wolf dem 50-jährigen Kampfschiff neues Leben einhaucht. - 50 Jahre Viennale und 50 Jahre James Bond: A quantum of solace haben wir ja noch. (Wolfgang Ainberger, DER STANDARD, 3./4.11.2012)