Tatortfoto: Der Schriftsteller John Leake recherchierte, wo Duncan MacPherson im August 1989 am Stubaier Gletscher beim Snowboarden verunglückt ist. Die Umstände bleiben mysteriös.

Foto: John Leake

Innsbruck - Elf Jahre lebte der amerikanische Journalist und Buchautor John Leake in Wien und beschäftigte sich mit mysteriösen Kriminalfällen. Derzeit ist er zwar wieder in Silicon Valley, doch im Jänner erscheint sein neuestes Buch, das sich mit dem Verschwinden des kanadischen Eishockeyspielers Duncan MacPherson am Stubaier Gletscher beschäftigt. Im Juli 2003 war die Leiche des jungen Kanadiers gefunden worden. Er galt seit 1989 als vermisst, seine Eltern hatten sich mit der Erklärung der österreichischen Behörden, wonach ihr Sohn beim Snowboarden verunglückt sein soll, aber nie zufriedengegeben.

Kein simpler Snowboardunfall

Sie reisten nach Tirol und ermittelten auf eigene Faust. John Leake las alle ihre Aufzeichnungen, recherchierte bei den Behörden und schrieb schließlich das Buch Eiskalter Tod über den Fall. Insgesamt dreieinhalb Jahre hat er sich mit MacPhersons Verschwinden beschäftigt, und für ihn ist nach wie vor klar, dass "etwas nicht stimmt". Ein simpler Snowboardunfall sei das nicht gewesen.

"Duncans linkes Bein und beide Unterarme sind in die Fräse einer Pistenraupe gekommen. Die Maschine hackte seine Glieder in Stücke, und er verblutete. Sein Körper, die abgetrennten Gliedmaße und seine Ausrüstung wurden dann in einer Gletscherspalte verborgen." Leake weiß, dass das schwer zu glauben ist, aber seiner Darstellung zufolge könnte es sich um fahrlässige Tötung handeln, die verschleiert wurde.

Ungereimtheiten im Fall Unterweger

Auch über den Frauenmörder Jack Unterweger hat Leake geschrieben. Unterweger wurde 1976 wegen Mordes an einer 18-jährigen Deutschen verurteilt. In der Haft mutierte er zum Schriftsteller, nach 16 Jahren wurde er vorzeitig entlassen und galt als Paradebeispiel für Resozialisierung. Sechs Monate danach begann eine Mordserie an Prosituierten. 1992 wurde er erneut verhaftet, 1994 des neunfachen Mordes in erster Instanz schuldig gesprochen. Das Urteil wurde aber nie rechtskräftig, weil sich Unterweger unmittelbar danach erhängte.

"Auch hier gab es Ungereimtheiten, im Verfahren seiner vorzeitigen Entlassung wurde keine angemessene psychiatrische Untersuchung durchgeführt", erläutert Leake. Die Prognose zur Zeit seiner Verurteilung, "Rückfall mit Sicherheit zu erwarten", sei einfach ignoriert worden.

Der Autor ortet in beiden Fällen Vertuschung und Freunderlwirtschaft. Ein Grund, warum Leake Österreich so faszinierend findet: "Die Freunderlwirtschaft in Österreich ist so normal. Ein Weg, um bürokratische Formalitäten zu vermeiden."

In Duncans MacPhersons Fall habe die Verschleierung seiner Familie aber " unkalkulierbaren Schaden zugefügt". Die MacPhersons haben sich mit dem Umgang der Behörden nicht abgefunden. Sie fordern immer noch Konsequenzen für die Beamten. (Verena Langegger, DER STANDARD, 3./4.11.2012)