Berlin - Auf dem derzeit in Berlin stattfindenden 8. Weltkongress über bösartige Tumorerkrankungen des Bauchfells (Peritonealkarzinose) hat die Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Tübingen erste Ergebnisse zu einer Studie über eine neuartige Behandlung von Patienten mit Chemotherapie-resistentem Bauchfellkrebs vorgestellt.

Bei diesem als Virotherapie bezeichneten Verfahren werden Krebspatienten im Rahmen einer klinischen Prüfung modifizierte Impfviren verabreicht, die Tumorzellen gezielt befallen und sich in diesen nahezu ungebremst vermehren können. Im Erfolgsfall werden pro Tumorzelle Tausende von Nachkommenviren gebildet, was am Ende des Infektionsprozesses in einem massenhaftem Aufplatzen der befallenen Tumorzellen - einer sogenannten Onkolyse - endet.

Durch diesen Mechanismus können große Teile von Tumorgewebe zerstört werden. Die neu freigesetzten Nachkommenviren infizieren dann weitere, bis dahin noch nicht befallene Tumorzellen, bevorzugt in der unmittelbaren Nachbarschaft. Auf diese Weise entsteht bei dieser neuartigen biologischen Krebstherapie ein Domino-Effekt.

Direkt in der Bauchfellhöhle wirksam

Da gesunde Zellen im Gegensatz zu Tumorzellen genetisch nicht verändert sind und deshalb über eine intakte Immunabwehr verfügen, werden diese in der Regel nur zu einem geringen Grad infiziert und sind dann gegenüber den hier eingesetzten Impfviren in der Lage, jegliche Form einer höhergradigen Virusvermehrung erst gar nicht zuzulassen.

Die Besonderheit der Virotherapiestudie besteht darin, dass die Virotherapeutika nicht - wie bei anderen Krebsmedikamenten meist üblich - intravenös verabreicht werden, sondern über einen Katheter alle 28 Tage direkt in die Bauchfellhöhle appliziert werden. Damit gelangen die Virotherapeutika unmittelbar zu den aggressiv wachsenden Tumorherden. Dadurch können die Impfviren direkt die entsprechenden Tumoroberflächen infizieren.

"Die bisherigen Erfahrungen mit unseren Tübinger Studienpatienten zeigen, dass das von uns eingesetzte Virotherapeutikum GL-ONC1, bei direkter Applikation in die Bauchfellhöhle gut vertragen wird", berichtet Studienleiter Ulrich Lauer.

"Obwohl wir noch in einer sehr frühen Phase unserer klinischen Prüfung sind, haben wir bereits in der ersten Patientengruppe ermutigende und vielversprechende Daten gesehen, die darauf hinweisen, dass wir über längere Zeiträume hinweg zu einer effizienten Vermehrung der Impfviren in Tumorherden kommen können. Weitere Ergebnisse zeigen, dass wir Krebszellen, die sich in der Bauchfellflüssigkeit finden, effizient infizieren und lysieren können. Das heißt, die von unseren Impfviren getroffenen Zellen platzen auf und werden dadurch unwiederbringlich zerstört", erklärt der Experte.

Erst an vier Patienten getestet

Eine Besonderheit des Virotherapeutikums GL-ONC1 besteht darin, dass von diesem spezielle Markerproteine unmittelbar nach Infektion der Tumorzellen produziert werden, die sich dann in der Bauchfellhöhle, aber auch im Blut der behandelten Krebspatienten mengenmäßig bestimmen lassen. "Mit Hilfe der vom Impfvirus hergestellten Markerproteine können wir kurzfristig den Infektionsverlauf und die Zerstörung der Tumorzellen überwachen, was uns eine unmittelbare Abschätzung der erzielten onkolytischen Wirkung ermöglicht", führt Lauer weiter aus.

Bei dieser Phase I/II-Studie wird das Studienvirus GL-ONC1 als alleiniges Therapeutikum verabreicht, wobei von Patientengruppe zu Patientengruppe eine Dosissteigerung erfolgt. Patienten mit hochagressiven Tumoren wie beispielsweise Magenkarzinom, Pankreaskarzinom, Kolorektalem Karzinom oder Ovarialkarzinom können daran teilnehmen, wenn bei Ihnen eine Absiedelung in die Bauchfellhöhle nachgewiesen wurde. 

Seit April 2012 haben bislang vier Patienten insgesamt acht Infusionen in die Bauchfellhöhle erhalten. Im weiteren Verlauf soll am Universitätsklinikum Tübingen bestimmt werden, wie sich das Sicherheitsprofil dieser Virotherapie-Modalität darstellt. Darüber hinaus wird geprüft, inwiefern Lebensqualität und Überleben der behandelten Patienten verbessert werden können. In die Studie sollen insgesamt bis zu 30 Patienten in zwei Studienphasen eingeschlossen werden. (red, derStandard.at, 2.11.2012)