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Crvena Zvezda gegen Partizan: Die nationalen Duelle in den jeweiligen Staaten sind zwar weiterhin sehr brisant, die Stadien füllen sie trotzdem nur selten.

Foto: ap / Darko Vojinovic

Sie wurden "die großen Vier" im ehemaligen Jugoslawien genannt. Die beiden serbischen Vereine Crvena Zvezda und Partizan aus Belgrad und die beiden kroatischen Vereine Dinamo Zagreb und Hajduk Split waren damals die tonangebenden Mannschaften. Sie waren die trophäenreichsten Clubs und die Vereine mit den größten Fananhängerschaften. Ihre Fans waren mehr ethnisch durchmischt, als es die heutige politische Realität wahrhaben möchte. Ihre Duelle waren Publikumsmagneten und ihre Rivalitäten über die Landesgrenzen hinweg dem Fußballpublikum ein Begriff.

In den Kriegsjahren gegen Ende des letzten Jahrhunderts kämpften die Anhänger der Clubs zum Teil gegen respektive miteinander. Seit dem Ende des Krieges sind die Duelle zwischen den kroatischen und serbischen Vorzeigeklubs rar. Außer einer Begegnung in der Champions League Qualifikation im Jahr 1997 zwischen Dinamo und Partizan, sowie einer unrühmlichen Partie der gleichen Vereine beim Turnier in Kriens (Schweiz, 2003), welches aufgrund von Fanausschreitungen abgebrochen werden musste, haben die Vereine nicht mehr aufeinandergetroffen. Die nationalen Duelle in den jeweiligen Staaten sind zwar weiterhin sehr brisant, die Stadien füllen sie trotzdem nur selten.

Über eine mögliche Balkanliga und The Real Football Factories International

Die Qualität der heimischen Ligen lässt sowohl in Serbien als auch Kroatien zu wünschen übrig. Die Pläne über eine mögliche Balkanliga, ähnlich wie im Basketball (ABA-Liga seit 2001) und Handball (SEHA-Liga seit 2011), wurden sehr schnell verworfen. Dafür - so die Einschätzung - ist die Sicherheitslage zu kritisch. Die berühmte Doku-Reihe The Real Football Factories International von Danny Dyer aus dem Jahr 2006 hat diese Einschätzung unterfüttert. In ihrem Balkanspecial wurde der Nationalhass zwischen Serben und Kroaten als unüberwindbar dargestellt und die Hooligans, die in dieser Doku zu Wort kamen, bekräftigten mit vorgehaltenen Waffen ihre Morddrohungen, falls es zu einer Balkanliga kommen sollte. Zwar verbüßen einige dieser Hooligans mittlerweile langjährige Haftstrafen, manche von ihnen tatsächlich auch wegen Mordes. Der bleibende Eindruck, den diese Doku hinterlassen hat, so scheint es, können die Entscheidungsträger nur schwer überwinden.

Eine Annäherung am Balkan

Die kroatische und serbische Diaspora lebt in den europäischen Staaten großteils friedvoll und freundschaftlich neben- und miteinander. Die Fans "der großen Vier" wachsen in vielen Fällen sogar gemeinsam auf, und nicht selten werden aus ihnen gute Freunde. Aber auch am Balkan gibt es in den letzten Jahren eine Annäherung Kroatiens und Serbiens. Nicht nur in der Politik sind versöhnliche Worte zu hören, auch gemischt-ethnische Paare etwa im Showbiz sind immer häufiger zu verzeichnen. Diverse TV-Sendungen, aber auch Filme, werden mittlerweile durch Kooperationen aller Balkanstaaten produziert. Sowohl kroatische als auch serbische Schauspieler tauchen in den Produktionen des jeweils anderen Staates immer öfter auf. Viele Musiker wurden ja schon während der Kriege und auch danach von beiden Seiten unbefangen gehört. Die Sportler beider Staaten zollen sich schon seit Jahren immer wieder großen Respekt.

Prosinečki und Zvezda

Von der Annäherung zeugt auch die Ernennung der kroatischen Fußballlegende Robert Prosinečki zum Trainer von Crvena Zvezda Belgrad im Frühjahr 2011. Robert Prosinečki feierte als Spieler in den späten 80ern und frühen 90ern des letzten Jahrhunderts große Erfolge mit Crvena Zvezda, unter anderem den Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1991. Die Wirren des Krieges und die vom Nationalismus geprägten Post-Kriegsjahre trennten Zvezda und Prosinečki, der gegenseitige Liebe konnten sie aber keinen Abbruch tun. Auch wenn diese Zusammenarbeit mittlerweile aufgelöst wurde, war sie dennoch ein Tabubruch, der auf Nachahmung hoffen lässt. Bei seinem Abschied hielten die Fans von Crvena Zvezda ein Transparent hoch mit der Aufschrift „Die Türen von Zvezda sind für dich immer offen".

Freundschaftsspiel nach 21 Jahren

Vor einigen Tagen haben der kroatische Verein NK Osijek und der serbische Verein FK Vojvodina Novi Sad einen weiteren Tabubruch begangen. Sie sind sich nach 21 Jahren bei einem Freundschaftsspiel in Novi Sad wieder gegenübergestanden. Auch wenn die Fans vom NK Osijek nicht über die Grenzen gelassen wurden, und somit dieses Spiel ohne sie stattfand, war es dennoch ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Das richtige Zeichen zur richtigen Zeit

Gerade jetzt, wo der serbische Fußball nach dem rassistischen Vorfall während des U-21 EM-Qualifikationsspiels zwischen Serbien und England in Kruševac (am 16. Oktober 2012) negativ in den internationalen Schlagzeilen zu finden ist, könnten bestimmte Signale zu den gewünschten gesellschaftlichen Veränderungen führen, die sich mittlerweile auch die serbische Politik wünscht. Der serbische Premier, Ivica Dačić, versprach eine rigorose Aufklärungsarbeit und das Adaptieren des "englischen Weges", der zur Verbannung der Hooligans in den englischen Stadien führte und den Fußball zu einem familienfreundlichen Ereignis in England werden ließ. Da Kroatien einen ähnlichen Weg anstrebt, und jede Zäsur ihre Symbole braucht, könnten die "großen Vier" einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

„Dinamo, Zvezdo, Hajduče i Partizane" vergesst auf „Željo i Sarajevo" nicht

Bleibt zu hoffen, dass sich die Clubführungen "der großen Vier" nicht mehr von einigen Rückwärtsgewandten vereinnahmen lassen und bald Freundschaftsspiele oder -turniere untereinander organisieren werden. Da "die großen Vier" mehr als lediglich erfolgreiche Fußballvereine sind, könnten sie am Balkan gewisse gesellschaftliche Veränderungen, die dem europäischen Geist entsprechen, in Gang setzen bzw. sie beschleunigen. Also „Dinamo, Zvezdo, Hajduče i Partizane" nehmt euch ein Beispiel am NK Osijek und am FK Vojvodina Novi Sad! Ach, und wenn ihr schon dabei seid, vergesst auf "Željo i Sarajevo" nicht.

Vielleicht wird es dann eines Tages wieder möglich sein, unabhängig des ethnischen Hintergrundes, ein Fan einer dieser Mannschaften zu sein. Schließlich stört sich auch keiner daran, wenn ein Bosnier, Kroate oder Serbe für Manchester United oder Real Madrid die Daumen drückt. (Siniša Puktalović, daStandard.at, 1.11.2012)