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Werner Fasslabend.

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Als ehemaliger Verteidigungsminister, der sich nach wie vor in der internationalen Sicherheitspolitik engagiert, ist für mich die Systemfrage in erster Linie eine sicherheitspolitische und erst an zweiter Stelle eine gesellschaftspolitische. Die Wahl des Wehrsystems hat sich primär danach zu richten, ob Österreich damit in die Lage versetzt wird, auf künftige Bedrohungen rasch und umfassend reagieren zu können und ob eine ausreichende Finanzierungsbasis für dieses System vorgesehen ist.

Was die zu erwartenden Bedrohungsszenarien betrifft, lässt sich eindeutig feststellen, dass klassische militärische Kampfeinsätze zwischen hochtechnisierten Staaten unwahrscheinlicher geworden sind. An ihre Stelle treten neue Gefahren und Herausforderungen: Die wahrscheinlich größte Gefahr geht nach Meinung der meisten Experten von sogenannten "Cyberwars" aus. Darunter sind Angriffe im Cyberspace auf die wichtigsten Steuerungs- und Kontrollsysteme des Staates, der Wirtschaft und der Wissenschaft zu verstehen, die insgesamt bis zu einer Lähmung des Gesamtstaates führen können.

Der Versuch, einen solchen "Krieg" mithilfe eines Berufsheers abzuwehren, ist von vornherein als untauglich zu qualifizieren. Eine effektive Gefahrenabwehr kann nur durch eine breit aufgestellte Cybermiliz, als permanenter Verbund von staatlichen Stellen und dem in der Wirtschaft vorhandenen Potenzial erzielt und daher nur durch ein reformiertes Bundesheer mit einer Milizkomponente auf Basis der allgemeinen Wehrpflicht aufgebaut und organisiert werden. Dies ist für mich gleichzeitig das wichtigste Reformvorhaben für das Österreichische Bundesheer.

Neben den internetbasierten Bedrohungsszenarien stellt gerade auch für Österreich die Abwehr des Terrorismus eine Priorität in der nationalen Sicherheitspolitik dar. Dabei gewinnt der Schutz kritischer, sensibler Infrastrukturen immer mehr an Bedeutung. Dies betrifft Österreich in besonderem Maß, da unser Land mit rund 1000 Objekten über einen überproportional hohen Anteil an kritischer Infrastruktur verfügt (z. B. Kraftwerke, Transportrouten, transeuropäische Gasleitungen, in Wien ansässige internationale Organisationen ...). Für den Schutz und die Überwachung dieser Einrichtungen würde im Falle einer systematischen Bedrohungssituation ein Berufsheers innerhalb kürzester Zeit an die Grenzen seiner quantitativen Kapazitäten stoßen. Ein effektiver Schutz dieser Infrastruktur kann daher in Österreich sinnvollerweise nur durch das bestehenden Mischsystem aus Berufs-, und Milizsoldaten sowie Grundwehrdienern sichergestellt werden.

Was schließlich das internationales Krisenmanagement im Rahmen von UN, EU und Nato betrifft, ist nur in wenigen Fällen der hochtechnisierte Kampfsoldat erforderlich, sondern eine Organisationsform, die in der Lage ist, längerfristige zivil-militärische Aufgaben zu bewältigen. Ein reformiertes Bundesheer könnte auch für diese Zwecke die dafür quantitativ wie qualitativ notwendigen Truppen bereitstellen. Mehr als die Hälfte der in Auslandseinsätzen aktiven Soldaten entstammen der Miliz, verfügen über Fähigkeiten aus ihren zivilen Berufen, sind aber gleichzeitig durch ihre militärische Ausbildung für diese Form von Einsätzen gut geeignet.

Österreich Verteidigungsbudget ist derzeit mit einem BIP-Anteil von 0,7 Prozent eines der niedrigsten. Studien, die bereits vor dem Ausbruch der Wehrpflichtdebatte erstellt wurden, gehen davon aus, dass ein Berufsheer rund das Doppelte des heutigen Bundesheeres kosten würde..

Fazit: Die Einführung eines Profiheeres anstelle der Wehrpflicht ist weder sicherheitspolitisch noch ökonomisch sinnvoll. Ein reformiertes Bundesheer kann auch in Zukunft sämtliche Aufgaben ohne Mehrkosten bewältigen und zugleich ein hohes Maß an lebensnaher Ausbildung für jungen Menschen gewährleisten. (Werner Fasslabend, DER STANDARD, 31.10./1.11.2012)