Athen - Redakteure des griechischen Staatsfernsehens haben ihrem Sender am Dienstag Zensur vorgeworfen und sind in einen Streik getreten. NET TV hatte am Montag die beiden Moderatoren Marilena Katsimi und Kostas Arvanitis ab Dienstag suspendiert, nachdem sie unter Hinweisen auf Berichte über Polizeifolter die Frage nach einem Rücktritt des zuständigen Ministers gestellt hatten. Die Presse in Griechenland ist bereits in Aufruhr, nachdem ein Chefredakteur vor Gericht gestellt worden war, der eine Liste von mehr als 2.000 reichen Landsleuten mit Konten in der Schweiz veröffentlicht hatte.

"Hier geht es nicht mehr um uns", sagte Arvanitis der Nachrichtenagentur Reuters. "Werden wir von jetzt an eine Liste von Worten und Bemerkungen bekommen, die wir machen dürfen?" Der Sender warf den beiden Journalisten vor, "inakzeptable Anspielungen" gegenüber Minister Nikos Dendias gemacht und ihm keine Gelegenheit zur Erwiderung gegeben zu haben. Dies sei gar nicht Pflicht, erklärte Arvanitis. Spöttisch sagte er: "Wir wollen uns auch dafür entschuldigen, dass wir gestern einen Kommentar zu den US-Wahlen gesendet haben, ohne bei (US-Präsident Barack) Obama anzurufen und seine Meinung zu dem Thema einzuholen."

Empörung

Das Verfahren gegen den Chefredakteur Magazins "Hot Doc", Kostas Vaxevanis, hat für Empörung gesorgt. Seine schnelle Festnahme am Sonntag stand für viele Griechen im scharfen Kontrast zu den angeblich schleichenden Ermittlungen gegen griechische Steuersünder. Vaxevanis drohen zwei Jahre Haft. Er hat erklärt, als Journalist im öffentlichen Interesse gehandelt zu haben. Bei dem Dokument soll es sich um die sogenannte "Lagarde-Liste" handeln, die in Griechenland seit längerem für Spekulationen sorgt. Sie führt mehr als 2.000 Personen auf, die auf Steuerhinterziehung geprüft werden sollten. Die griechischen Behörden erklärten, es gebe keine Hinweise darauf, dass die aufgelisteten Personen gegen Gesetze verstoßen hätten.

Am Dienstag zeigte sich auch die Athener Anwaltskammer überrascht, wie schnell die Behörden gegen den Journalisten vorgegangen seien. "Diese Entscheidungen senden die Botschaft an die Gesellschaft, dass die demokratischen Einrichtungen in Griechenland - oder was von ihnen übrig ist - jetzt dem Machterhalt des Systems dienen."

In dem vom Bankrott bedrohten Land steigt die Wut auf Politiker und Reiche. Viele Griechen werfen der Elite vor, ihr Geld im Ausland in Sicherheit zu bringen, während der Großteil der Bevölkerung unter dem drakonischen Sparkurs zu leiden hat. (Reuters, 30.10.2011)