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Ein Wachmann watet durch das New Yorker Finanzviertel.

Foto: Reuters/Adrees Latif

Mit voller Wucht ist der Wirbelsturm "Sandy" auf die US-Ostküste getroffen. Zu Spitzenzeiten war der Monster-Hurricane, der mit 1.500 Kilometern einer Strecke von Hamburg bis Rom entspricht, mit 150 Km/h unterwegs und trieb eine Sturmflut von zwei bis vier Metern vor sich her.

Über zwei Dutzend Tote forderte "Sandy" bereits in den USA und Kanada. In der Millionenstadt New York stand das Wasser kniehoch. Bürgermeister Michael Bloomberg rief die Bewohner wiederholt auf, nur in äußersten Notfällen die Notfall-Nummer 911 zu wählen, möglichst in den Häusern zu bleiben und die Straßen nicht für die Einsatzkräfte zu blockieren.

Versicherer unter Druck

Die Wirtschaft in der Region ist nahezu lahmgelegt. Experten rechnen mit Schäden von etwa 20 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Hurrikan "Irene" im vergangenen Jahr hatte wirtschaftliche Schäden von etwa elf Milliarden Dollar zur Folge. Die Börse an der Wallstreet hat seit Montag geschlossen, will aber am Mittwoch wieder öffnen. Händler könnten bis dato auch gar nicht zur Arbeit kommen, ist doch der gesamte öffentliche Nahverkehr zum Stillstand gekommen. Sieben U-Bahnschächte sind bereits vollgelaufen. Es wird wohl noch einige Tage in Anspruch nehmen, das Wasser wieder abzupumpen, denn selbst an "normalen Tagen" sind rund 700 Maschinen im Einsatz, um das Untergrundsystem trocken zu halten. An den europäischen Aktienmärkten trennten sich gestern Anleger aus Furcht vor den zu erwartenden hohen Kosten infolge der Sturmschäden vor allem von Versicherungswerten.

Über Zehntausend Flüge wurden bislang gestrichen, besonders stark betroffen ist der Flughafen Newark, rund 17 Kilometer südwestlich von New York City. Das Atomkraftwerk Oyster Creek, das 1969 ans Netz ging, wurde abgeschaltet. Zuvor war die Alarmstufe 3 (von 4) ausgelöst worden, weil sich die Wassermassen bedenklich genähert hatten. Allerdings säumen noch weitere Atomkraftwerke den berechneten Weg von "Sandy".

Wegen "Sandy" haben mehrere US-Ölraffinerien ihre Produktion um 70 Prozent gedrosselt oder ganz eingestellt, was dazu führt, dass die ohnehin hohen Lagerbestände an Rohöl weiter ansteigen werden, was Druck auf die Ölpreise ausübt. Die Raffinerien dürften aber bald wieder arbeiten.

Nach einer Explosion in einem Umspannwerk in Down Town Manhattan waren mit einem Schlag 250.000 New Yorker ohne Strom. In der gesamten betroffenen Region sind es geschätzte fünf Millionen. Das zeigt einmal mehr, wie marode die Infrastruktur in den USA ist. Seit Jahrzehnten wurde nicht mehr in neue Stromleitungen investiert.

"Sandy" kommt aber auch Firmen in die Quere: So will der Pharmakonzern Pfizer die Quartalszahlen statt am vergangenen Montag erst am Donnerstag vorlegen. Das Biotechunternehmen Qiagen weicht auf Sonntag aus. Eine Bank zeigt sich sogar von seiner großzügigen Seite: Die Chase Manhattan Bank setzte die Verspätungszinsen für ihre Kunden aus, damit diese während des Sturms nicht vor die Tür müssen. In den USA zahlt man statt per Überweisung in der Regel noch mit Schecks, die verschickt oder zur Bank gebracht werden. Auch das ist eine Seite des Ausnahmezustandes. (ch, derStandard.at, 30.10.2012)