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6700 Österreicher gingen 2011 auf Bildungskarenz.

Foto: AP/Bruns

Sandra Wiehart arbeitete lange Zeit als Projektassistentin in der Immobilienentwicklung. Der Job machte Spaß, das Einkommen war für die 33-Jährige in Ordnung. Trotzdem ließ sie der Gedanke an ihren Wunschberuf nicht los. Denn eigentlich wollte sie Psychologie studieren und strebte darüber hinaus eine Ausbildung zur Psychotherapeutin an.

Der große finanzielle Aufwand, der damit einhergeht, ließ dieses Ziel aber in weite Ferne rücken. Und so entschloss sie sich, nach fünf Semestern Psychologiestudium, doch ins Berufsleben einzusteigen. Der Wunschtraum, Psychologin zu werden, begleitete sie aber weiterhin. Deshalb entschloss sie sich zu einem Jahr Bildungskarenz, um ab diesem Herbst nochmals mit dem Studium durchzustarten: "Ich weiß jetzt genau, was ich will: Ich will in die Personalentwicklung. Ich werde mich auf Arbeits- und Organisationspsychologie spezialisieren, damit ich nach dem Studium in einer Human-Resources- Abteilung arbeiten kann."

So wie Sandra Wiehart geht es vielen Menschen: Sie erkennen entweder erst während ihres Berufsleben, dass der eingeschlagene Weg doch nicht der richtige für sie ist, und wollen wechseln. Sie wollen ihre Aufstiegsmöglichkeiten verbessern oder ihr Einkommen erhöhen. Oder aber, sie sehen dass ihnen an ihrem Arbeitsplatz wegen neuer technologischer oder inhaltlicher Herausforderungen zusätzliche Qualifikationen fehlen. Sie stehen vor dem Problem, dass manche Ausbildungen berufsbegleitend nur schwer zu bewältigen sind. Für andere ist eine unbezahlte Auszeit zum Zwecke der Weiterbildung schlichtweg nicht leistbar. Für diese Menschen ist eine Bildungskarenz genau das Richtige.

Immer attraktiver

Damit ist eine Auszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr vom Berufsleben möglich, sofern der Arbeitgeber sein Einverständnis dazu gibt. Die Karenzierten beziehen ein Weiterbildungsgeld über das Arbeitsmarktservice (AMS), dessen Höhe jener des Arbeitslosengeldes entspricht. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis davor zumindest sechs Monate ununterbrochen angedauert hat und dass die Weiterbildung mindestens 20 Wochenstunden Zeit in Anspruch nimmt.

Die Möglichkeit einer Bildungskarenz ist für immer mehr Menschen attraktiv: 2007 waren es im Jahresschnitt noch 1.109 Personen, letztes Jahr ist die Anzahl der Bildungskarenzierten laut Arbeits- und Sozialministerium bereits auf 16.631 Personen angestiegen. Das Weiterbildungsgeld, dass der Staat dafür zur Verfügung stellen musste, ist folglich im selben Zeitraum von knapp über sieben auf insgesamt 76 Millionen Euro im Jahr 2011 angestiegen.

Die Wirtschaftskammer kritisierte das Modell im Sommer, weil ohnehin schon besser Ausgebildete damit die Chance auf eine Weiterbildung ergreifen. Tatsächlich verfügt fast die Hälfte der Teilnehmenden über einen Hochschulabschluss oder eine Matura. Die Arbeiterkammer wies allerdings darauf hin, dass gerade schlechter Ausgebildete wegen ihres niedrigeren Lohnes oft nur 450 Euro Weiterbildungsgeld erhielten, die Bildungskarenz aus diesem Grund für sie kaum leistbar sei.

Eine Studie des IHS zeigt, dass 59 Prozent der Bildungskarenzierten Frauen sind. Sie zeigt aber auch, dass es sich gerade für Frauen besonders lohnt: Frauen mit einer Bildungskarenz erzielen um rund zehn Prozent mehr Einkommen als jene ohne.

Bessere Chancen

Mehr Einkommen wäre für Eva Pelikan zwar wünschenswert, das Hauptmotiv für ihre Bildungskarenz ist es aber nicht: Die 36-Jährige macht im Anschluss an die Kinderkarenz mit ihrer zweijährigen Tochter Juliane nun eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin, mit einem fachlichen Schwerpunkt in der Eltern- und Erziehungsberatung.

Mit der Bildungskarenz will die Kindergartenleiterin nicht nur die Zeit, bis wieder eine passende Position in einem Kindergarten frei wird, sinnvoll überbrücken. Ohne das Weiterbildungsgeld könnte sie einen solche gar nicht absolvieren: "Die Ausbildung kostet ohnehin schon viel Geld. Für Normalverdienende, wie meinen Mann und mich mit Kind, wäre es also gar nicht möglich, dass ich währenddessen gar nichts verdiene."

Kommt die Leitungsstelle früher als gedacht, wird Eva Pelikan sie jedenfalls berufsbegleitend beenden: "Die zusätzlichen Kompetenzen, die ich damit erlerne, helfen mir in jedem Fall weiter, ob im Kindergarten, den ich dann leite, oder falls ich mal Arbeitgeber wechseln müsste oder auch, wenn ich mich später damit selbstständig machen will."

Damit könnte sie recht behalten: Schließlich zeigt auch die Studie des IHS, dass sich durch die Bildungskarenz nicht nur die Kompetenzen, die Motivation im und die Freude am Beruf steigerte. Sie brachte außerdem neue Karriereoptionen mit sich. (Martina Madner, DER STANDARD, 27./28.10.2012)