Gefälschte Zigaretten an der Porta Nolana: Ein eigenwilliger Stadtrundgang für Touristen erhitzt die süditalienischen Gemüter.

Foto: fotografia sociale

Neapel - Neben der weitläufigen Piazza del Plebiscito, dem mächtigen Castel Nuovo und den faszinierenden Gärten des Nonnenklosters Santa Chiara können Touristen in Neapel nun auch weniger Kunstvolles bestaunen. Für erregte Diskussionen sorgt derzeit das Angebot einer " Naples illegal tour", zu der der Kulturverein No comment einlädt. Die zweistündige Führung ist kostenlos und wird von der Vereinigung als " soziale Fotografie" empfohlen.

Es ist ein lehrreicher Ausflug ins Reich der Taschendiebe und Fälscher, der Prostituierten und Dealer, der Schmuggler und Hehler. Bei den Touristen kommt das Angebot offenbar gut an: 3000 Neapel-Besucher buchten im vergangenen Jahr den eigenwilligen Stadtrundgang in sechs Etappen.

Tagesgeschäft für Prostituierte

Die Tour beginnt an der Porta Nolana, wo Prostituierte auch tagsüber ihre Dienste anbieten. Dazwischen, am dortigen Markt, stapeln sich gefälschte Zigarettenstangen und Handy-Attrappen. Nächste Station ist Neapels Schmugglermarkt O'Buvero, wo Frauen Zigaretten und illegal gebackenes Brot verkaufen und wo geschickte Taschendiebe das Gedränge nutzen. Ein weiterer Schauplatz ist der "Fälscher-Großmarkt" A' Duchescha, wo vor allem Afrikaner ihre Fake-Markenware anbieten. Geschätzter Tagesumsatz: 20.000 Euro.

Auf dem Markt, an dem sich am Wochenende zahlreiche Familien drängen, kassiert die Camorra kräftig mit: Eine für 30 Cents erworbene CD wird als DVD-Raubkopie für fünf bis sieben Euro verkauft. Der Stadtrundgang geht vorbei an den illegalen Parkwächtern an der Porta Capuana und dem stets überfüllten Lebensmittel-Suk von Sant'Antonio Abate, wo Essbares verhökert wird, das wohl kaum den EU-Normen entspricht.

"Erniedrigende Nestbeschmutzung".

Der Kulturverein weist Kritik an seinem Programm zurück, er denunziere Neapel bei Touristen als Stadt der Gesetzlosen. Die Tageszeitung Il Mattino wetterte wochenlang gegen die "erniedrigende Nestbeschmutzung".

No comment kann an seinem Angebot nichts Anrüchiges entdecken. Die täglich zwischen neun und 13 Uhr stattfindenden Führungen seien für " travellers of the reality" gedacht: "Wir begleiten die Gäste nur, wir kommentieren nichts." Ziel der Initiative sei es, "eine soziale Realität aufzuzeigen, die auf weitverbreiteter Illegalität und Missachtung der Gesetze beruht". Schließlich spiele sich alles mit Duldung der Behörden ab.

Nur eine Empfehlung richten die Veranstalter an die Teilnehmer: "Benützen Sie keine auffälligen Kameras." (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 29.10.2012)