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Geht es nach Barack Obamas Strategen, soll Florida der Schlüssel zum Wahlerfolg sein. Daher kam der Präsident auch bereits zum zwölften Mal in diesem Jahr in den "Sunshine State", um auch selbst die Werbetrommel zu rühren.

Foto: Reuters/Downing

Im ganzen Land, vor allem in den Swing-Staaten, haben Barack Obama und Mitt Romney Büros eröffnet, die die entscheidenden Stimmen holen sollen.

 

Es ist ein unscheinbares Haus an der 6. Straße in Ybor City. Zwei Stockwerke und eine Fassade, die in besseren Tagen gelb gewesen sein muss. Im Obergeschoß steht Laptop über Laptop. Pausenlos läuten Telefone. Zwischen Tür und Angel akkreditiert Lacey Rose Journalisten. Die Zeit ist knapp. In wenigen Stunden kommt der Präsident in die Stadt, in wenigen Tagen wird gewählt.

"Respect. Empower. Include. Win." Das steht auf der Visitenkarte der Pressesprecherin im Hauptquartier Barack Obamas für Florida. Ist das Rennen so eng wie dieses Mal, zählt insbesondere der dritte Begriff. Die Wahlkämpfer müssen alle, ausnahmslos alle potenziellen Wähler einschließen, um den Bundesstaat zu gewinnen. Entscheidend ist das, was die Amerikaner "ground game" nennen: den Nahkampf mit den Wählern.

Im Jahr 2000 war Florida der ausschlaggebende Bundesstaat. 537 Stimmen Vorsprung machten George W. Bush damals zum Präsidenten. 2008 erhielt Obama hier um 60.000 Stimmen mehr als John McCain. Heuer ist Florida erneut einer der wichtigsten Swing-Staaten. Wem er zufällt, das wird am sogenannten I-4-Korridor, an der Interstate 4 zwischen Tampa, Orlando und Daytona Beach, entschieden. Wie ein Äquator trennt die Schnellstraße den überwiegend republikanischen Norden vom demokratischen Süden des "Sunshine State".

Besonders Tampa und der Hillsborough County machen den Unterschied. Seit 1960 hat jeder Kandidat, der es hier schaffte, auch den Bundesstaat und seine 29 Wahlmänner gewonnen. Das mag erklären, warum Tampa dem Präsidenten am Donnerstag einen Besuch wert war - sein zwölfter in Florida in diesem Jahr. Im Ybor Centennial Park also tänzelt Obama über die Bühne, feuert seine Anhänger an und wirft Mitt Romney "Romnesie" vor, weil der dauernd seine Positionen vergesse, die er eine Woche zuvor vertreten habe. Dann geht es weiter auf seiner rastlosen Acht-Staaten-in-48-Stunden-Tour durch Amerika.

Faktor: Zehn Bekannte

"Solche Besuche sind sehr wichtig, weil tausende Leute nun durch die Stadt gehen und jeder mit zehn Bekannten über den Obama-Auftritt spricht", sagt Chris Ingram, der den Präsidenten von der Pressetribüne aus beobachtet hat. Lange Jahre hat er als Assistent für republikanische Politiker gearbeitet, heute leitet er ein Kommunikationsunternehmen und schreibt wöchentlich eine Kolumne für die Tampa Bay Tribune. "Ich bin Republikaner. Aber ich muss neidlos anerkennen, dass die Demokraten ein viel besseres ,ground game‘ spielen", sagt der hagere 41-Jährige, der aus der Schar bunter Obama-Anhänger heraussticht. Dennoch: "Romney hat die Dynamik auf seiner Seite. Er wird Florida und die Wahl gewinnen."

I-4-Korridor entscheidet

Charlie Crist ist anderer Meinung: "Ich habe schon viele Wahlkämpfe gesehen, aber das Obama-Team ist mit Abstand das beste", sagt der frühere Gouverneur Floridas im Standard-Gespräch. Der braungebrannte Ex-Republikaner mit Spitzbubengesicht ist bei den Bürgern heute noch beliebter als zu seinen Zeiten im Amt. Vor lauter Fotowünschen kommt Crist, der nach einem üblen internen Kampf um die Kandidatur für den US-Senat dem kreuzkonservativen Kubaner Marco Rubio unterlegen ist, kaum zu seinem Wagen. In diesem Wahlkampf unterstützt er Obama. "Tampa und der I-4-Korridor werden es entscheiden, zugunsten des Präsidenten", erklärt er, bevor er endlich die Autotür zumachen kann.

106 Wahlkampfbüros hat Obamas Team in Florida aufgesperrt. Nur in Ohio sind es mehr (131). Romney hat 47 Außenstellen in Florida und 40 in Ohio. Täglich telefonieren in solchen Büros tausende Freiwillige mit den Wählern. Oder sie gehen von Tür zu Tür, um die letzten Unentschlossenen zu überzeugen. 2008 hat Obama so die größte Graswurzel-Bewegung für sich in Stellung gebracht, die die US-Politik je gesehen hat. "Aber im Vergleich zu heute war das ein Amateurverein", sagt Jeremy Bird, der Kapitän im "ground game" des Präsidenten. Man habe seit den Anfangszeiten 2006 praktisch nie aufgehört mit diesem lokalen Wahlkampf. Das mache sich heute bezahlt. Denn: "Man kann nicht ein paar Tische aufstellen und das Organisation nennen. Wir haben Leute in jeder Gemeinde, die Kirchen und die Friseursalons kennen." Sie wüssten, wo Wähler zu finden seien und was sie wollten.

Rund 600.000 neue Wähler haben die Demokraten diesmal neu in Florida registriert, um 100.000 mehr als die Republikaner. Die Aktivisten aus den Büros umwerben und überzeugen sie. Den Rest erledigt eine digitale Marketingkampagne, die ihresgleichen sucht: Zu den dutzenden Millionen Anhängern auf Twitter, Facebook & Co haben Obamas Leute Millionen an Datensätzen zugekauft, mit denen sie punktgenaue politische Botschaften an Wähler senden. Dafür sorgt auch Rayid Ghani, ein Spezialist für Konsumentengewohnheiten, den Obama von der Beraterfirma Accenture abwerben ließ. Die Demokraten haben allein an der I-4 dreißig Millionen Dollar in Werbung investiert.

Vor vier Jahren haben die Demokraten diese Maschinerie für den Sieg nicht wirklich gebraucht. Ihre Anhänger waren so oder so motiviert. Diesmal dagegen leiden sie unter mangelndem Enthusiasmus. Dafür sind die Republikaner bis in die Haarspitzen motiviert.

Genau darum könnte das "ground game" diesmal tatsächlich entscheidend sein. Obamas Kampagnenmanager Jim Messina formulierte es so: "Jetzt kommt es darauf an, die Wähler zu den Urnen zu bekommen und die letzten Unentschlossenen zu überzeugen. Dafür sind diese Büros da." (Christoph Prantner aus Tampa /DER STANDARD, 27.10.2012)