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Die Masse kann mehr, weiß mehr und hat mehr. Diese Annahme steht auch hinter dem Konzept des Crowd-Fundings.

Foto: AP/Pat Wellenbach

Geld beschaffen ohne bei einer Bank um einen Kredit anzufragen, ist ein gefährliches Terrain. Dabei stöhnen Unternehmen schon seit einigen Jahren, weil Banken mit Krediten nicht mehr so freigiebig sind. Das Gespenst der Kreditklemme geistert alle paar Monate durch die Medien, obwohl die Nationalbank nicht müde wird zu belegen, dass erneut mehr Gelder an Firmen vergeben wurden. Alternativen bei der Geldbeschaffung scheitern aber oft am System.

Mit den neuen Kapitalerfordernissen bei Banken geht einher, dass sie erstens mehr Sicherheiten für die Geldvergabe verlangen, und zweitens genauer hinschauen. Betriebe suchen also vermehrt nach alternativen Wegen, um an Geld für Investitionen zu kommen. Dass das nicht immer ganz einfach ist, zeigt das Beispiel des Waldviertler Schuhherstellers Heini Staudinger. Denn: Ein Schuster ist keine Bank. Das hat die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) Staudinger auch deutlich gemacht. Die FMA zeigte den Chef der "Waldviertler Schuhe" an, weil er Geld nicht bei einer Bank, sondern bei Kunden und Freunden borgt. 

Geldgeschäft

Die Vorgeschichte: Ende der 1990er Jahre hat die Hausbank Staudinger mitgeteilt, dass der Kreditrahmen gekürzt wird. Dem Unternehmen ging es gut, für die Herabsetzung des Rahmens sah Staudinger keinerlei Anlass. Aber wenn die Bank nicht will, dann hilft das alles gar nichts. Daraufhin krempelte der Niederösterreicher seine Geldbeschaffung um. Über einen Sparverein investierten Freunde, Verwandte und Kunden in die Schuhproduktion. Insgesamt drei Millionen Euro kamen so zusammen. Staudinger investierte, seine "Gläubiger" bekamen ihre Anteile verzinst zurück.

Klingt eigentlich super. Das Geld bleibt in der Region, Arbeitsplätze ebenso. Allerdings ist 2011 die FMA auf den umtriebigen Waldviertler aufmerksam geworden. Diese Art des Social Lendings, also des Geldborgens unter Freunden, darf in Österreich nicht jeder machen. Da sich Staudinger das Geld von mehr als einer Person borgte, sieht es die FMA als gewerbsmäßig an. Das gilt in Österreich als Bankgeschäft, und ist nur jenen vorbehalten, die eine Konzession haben.

Diese bekommt man nicht geschenkt. Die FMA gibt auf Anfrage unter anderem folgende Kriterien vor: Das Unternehmen muss eine Aktiengesellschaft sein und über ein Anfangskapital von mindestens fünf Millionen Euro verfügen. Das Geschäftsmodell muss schlüssig sein und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen - dazu gibt es ein Gutachten der Nationalbank. Und es muss einen geeigneten Geschäftsleiter und geeignete wesentliche Eigentümer geben (das sind übrigens die, die mit zehn Prozent oder mehr am Unternehmen beteiligt sind). Genau geregelt ist das alles im Bankwesengesetz (BWG).

Die Crowd, die finanziert

Wie Finanzierung ohne Bank aussehen könnte, will eine Crowd-Funding-Plattform zeigen. Vor drei Jahren gründete Reinhard Willfort eine Crowdsourcing-Website. Hinter dem Begriff verbirgt sich die Annahme, dass viele mehr wissen und können als ein einzelner. Und, dass sich die Masse gegenseitig auch kontrolliert, schlechte Ideen entlarvt, gute Ideen gemeinsam verbessert werden. Die Seite neurovation.net richtet sich in erster Linie an die Kreativwirtschaft. Einem fällt etwas ein, und der Rest der Community - in dem Fall sind es mittlerweile an die 6.500 Menschen - kann das bewerten, kommentieren, weiterentwickeln, in Kontakt mit dem Erfinder treten. Ein Internetforum für Projektideen. "Wir haben da Ideen gesammelt. Irgendwann habe ich mir dann gedacht, wir müssten auch die Euros für diese Ideen sammeln", sagt Willfort. Das war die Geburtsstunde von 1000x1000, einer Plattform, die hilft, Projekte zu finanzieren.

An seinem Modell hat Willfort zwei Jahre lang getüftelt, vor allem, weil man mit Geschäften dieser Art schnell in die Nähe von Bankgeschäften kommt. "Da muss man höllisch aufpassen", so Willfort. Deswegen laufen die Transaktionen über eine Bank, jeder Beteiligte - also Geldgeber wie -sucher - hat ein Konto. Wenn genügend Geld für ein Projekt zusammenkommt, wird über die Bank abgewickelt. Außerdem verdient die Plattform nicht an dem Geldgeschäft.

Weltweit laufe das Schwarm-Geschäft gut, sagt Willfort. Mit 452 Plattformen seien im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Dollar aufgestellt worden. Das Spektrum beim Gruppen-Finanzieren ist breit. Spenden sind da genauso zu finden, wie Finanzspritzen, für die der Investor ein Produkt erhält. Zum Beispiel bei künstlerischen Produktionen, wo die Investoren am Schluss eine handsignierte CD erhalten oder eine Sonderausgabe eines Buches. Beim Equity Funding geht es tatsächlich um die Finanzierung im klassischen Sinn, wo sich die Investoren einen Mehrwert in Form von Rendite erwarten. Über 1000x1000 wird so ein Crowd-Investing angeboten.

Trend

Willfort ist überzeugt, dass das Thema Crowd-Funding auch in Österreich im Kommen ist. Dass Crowd-Funding grundsätzlich leichter funktionieren sollte, dafür setzt sich auch Markus Roth, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft ein. Derzeit sei es viel zu kompliziert, Plattform-Gründer müssten Kopfstände machen. Daher fordert Roth eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Crowd-Funding ist schließlich dazu gedacht, dass Geld fließt. Dafür müsse man die derzeitige Definition von Bankgeschäft anpassen und damit auch den Zugang zu Geld über Crowd-Funding erleichtern, glaubt Roth. Um Schindluder zu vermeiden, empfiehlt Roth eine Art Zertifizierung der Plattformen.

Jedes x-beliebige Projekt kommt den Schwarm-Finanziers von 1000x1000 nicht auf die Seite. Sowohl die Crowd als auch die Seitenbetreiber prüfen unter anderem nach folgenden Kriterien: Wer ist die Person hinter der Idee? Kann das funktionieren? Wie kann man damit Geld verdienen? Was ist das Geschäftsmodell? Zusätzlich wird ein Blick ins Firmenbuch geworfen. Die Investoren auf 1000x1000 schauen sich die Projekte genau an. Denn an einem lässt Willfort keinen Zweifel: Bei den Projekten handelt es sich um Risikokapital. Im schlimmsten Fall ist das Geld verloren. Durch die Streuung der Investments in mehrere Projekte könne man sich aber recht gut absichern, meint Willfort. Dass zehn unterschiedliche Projekte ein Totalausfall werden, sei eher unwahrscheinlich.

Derzeit seien 40 Projekte angefragt, fünf in Vorbereitung und eines in der Finanzierungsphase. Dem stehen 100 Mikroinvestoren gegenüber. Noch. Geht es nach Willfort, sollen es noch viel mehr werden. (Daniela Rom, derStandard.at, 29.10.2012)