Ja, das kann man - wenn man genug auf der hohen Kante hat. Der neue Aston Martin DB9 kostet deutlich über 200.000 Euro. Aber dafür bekommt man auch was wirklich Schönes

Wir kamen gerade rein von einer Runde um den Flachen, Extravaganten, 12-Zylindrigen, der auch ohne Preisschild nach viel, sehr viel Geld aussieht, und der Aston-Martin-Boss hob das Glas, hieß uns auf Schwäbisch willkommen und sprach: "Das Wichtigste am DB9 sind die Reifen." Sie hätten da nämlich ganz ausgezeichnete, und die würden auch immer weiterentwickelt und so weiter.

Foto: aston martin

Die Reifen! Nicht etwa die Grandezza einer über jeden Zweifel erhabenen Form, eine Hymne auf eine Ikone des gepflegten Schnellseins, die ganze Heritage-Geschichte, nicht die Handarbeit oder die Summe kostbarer Teile, die einen Aston Martin ausmacht.

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In einer um jedes Unterscheidungsmerkmal ringenden Branche, wo jeder Haken im Kofferraum wortreich als Neuerfindung des Automobils beschworen wird, stellt sich einer hin und plaudert über Reifen. Sie würden schließlich den Kontakt zur Straße herstellen, ohne gute Reifen ist das ganze Auto nix wert - sagt Dr. Bez. Räusper, britisches Understatement. Oder tatsächlicher Respekt vor dem puren Fahren, das eben dort beginnt, wo der Wagen Fühlung mit dem Untergrund nimmt.

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Alles andere steht ohnehin zum Besten. Ein hinreißend zurückhaltend geschnittener Sportwagen, auf dessen Dach man sich die Schuhe schnüren könnte, würde man diesen Frevel überhaupt in Betracht ziehen. Ein breite, tiefe Motorhaube, die den Fluss nach hinten anstimmt, der ohne Gekräusel, ohne wilde Aufwerfungen den ganzen Körper umschmeichelt. Und trotzdem schaut der aus, als würde er im nächsten Moment die Welt niederreißen.

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Aber auch hier legt Bez Wert auf die Feststellung, dass sie das mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Fußgängerschutz hingekriegt haben, ohne dass beim Impact irgendwelche Stellmotoren die Haube aufstemmen müssten. Der DB9 bleibt wie er ist, glatt und schön und ewig.

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Obwohl er ganz und gar neu ist. Sie haben ihm mehr Power verpasst, mehr Drehmoment, haben eine zusätzliche Fahrdynamikstufe installiert, die nach bekannter Manier die Dämpfer, Lenkung, Gaspedalkennlinie und Schaltung moduliert (jetzt Normal, Sport und Track - die Namen sprechen Bände), 20-Zöller ab Werk montiert und die Steifigkeit weiter erhöht. 20 Prozent beim Coupé, 30 Prozent beim Volante, der offenen Herrlichkeit.

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Trotz all dieser Steigerungen benimmt sich der DB9 nicht wie ein wildgewordener Haudrauf, der dich durch die Serpentinen beutelt. Alles läuft smooth, kontrolliert und seidenweich ab, auch wenn Ehrgeiz am Werk ist und Geschwindigkeitsbereiche gekostet werden, die im Prinzip tabu sind.

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Klick, klick, klick mit den Schaltpaddles runter, schon spannt sich der rechte Gang ins Geschirr, der exakt zur idealen Zeit den DB9 rausreißt aus der Biegung, woraufhin dieser sich grollend auf die folgende Gerade stürzt, bevor ein beherzter Tritt in die Keramikbremsen das Tempo zerreibt und so weiter und so fort.

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Das hat was, klar. Aber wo der Aston Martin seine ganze Größe ausspielt, ist das Cruisen zwischen 2000 und 4000 Touren. Wo man ohne Handschweiß und jagendes Herz sich in den Sitz kuschelt, den Swing der Landstraße aufnimmt und einfach Zeit hat, das Auto zu genießen.

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Das hat uns auch Dr. Bez ans Herz gelegt, weil man, wie er sagt, eine High-End-Hi-Fi-Anlage mit x-hundert Watt ja auch nicht immer laut aufdreht, da würde man, auch wenn sie gut klingt, deppert davon. Genauso sieht er das Unterwegssein mit einem Aston Martin. Ohne Fliehkraftspitzen. Ohne Ausdrehen des (natürlich) bärenstarken 12-Zylinders mit jetzt 517 statt vorher 476 PS. Einfach fliegen. Schauen.

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Das herrlich unaufgeregt gestaltete Armaturenbrett, das von dickem Leder ummantelt ist, die klar gesetzten Knöpfe der Automatikschaltung aus geschliffenem Glas, der Bildschirm, der sich leise aus dem Geschmeide löst, wenn man rückwärts fährt und er dir die Welt da hinten zeigt, alles da, aber nichts drängt sich wichtigtuerisch auf.

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Das hat Stil. Der kostet. Aber auch darüber mag Dr. Ulrich Bez nicht gerne reden. Das versteht sich von selbst. Keiner kauft einen DB9 ums letzte Geld. Die Ehrfurcht, ja Scheu vor so einem Teuren befällt nur jene, die auch eine Yacht oder ein Ferienhaus an einem Meeresstrand besitzen. Bei Aston Martin kaufen Leute mit Geld. Und, was auch nicht immer vorkommt, mit Geschmack. (Andreas Hochstöger, DER STANDARD, 25./26.10.2012)

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