Foto: STANDARD/Fischer

Lieber Hubertus! Ich lese nunmehr fast täglich in den Medien von Deiner leidenschaftlichen Lust, die Allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen. Du unterstützt damit Verteidigungsminister Norbert Darabos, der sich vom Saulus zum Paulus gewandelt hat.

Nun ist die Öffentlichkeit hinlänglich daran gewöhnt, dass Politiker ihre Meinung ändern; und der Vereidigungsminister kann sich sogar auf den großen Deutschen Konrad Adenauer berufen, der sagte: "Was schert mich mein Geschwätz von gestern?" Darabos ist auch Parteipolitiker vom Scheitel bis zur Sohle, hat keinen Präsenzdienst geleistet, sich aber dann immer wieder den Militärtraditionen untergeordnet - mal so, mal so.

Du aber, lieber Hubertus, hast Dich jahrzehntelang von den Niederungen der Parteipolitik ferngehalten und Querelen nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. Warst seit der Militärakademie stets ein überzeugender Experte, Generalstabsoffizier, Berater in der der oö. Stahlindustrie, Kommandant einer Panzergrenadierbrigade, Chef eines Korpskommandos - und zuletzt General des Bundesheeres i. P. .- Das imponiert.

Wehrpflicht auf den Müll?

Dass Du Dich aber jetzt, als Pensionist, zum Lautsprecher für Parteitaktiker machen lässt, ist unbegreiflich - vor allem auch für Deine zivilen Freunde.

Und dazu zähle ich mich. Haben wir beide doch mehrere Jahre gemeinsam in der Präsidentschaftskanzlei verbracht; Du als Adjudant von Bundespräsident Thomas Klestil, ich als Leiter des Presse-und Informationsdienstes sowie Pressesprecher des Staatsoberhauptes.

Der Bundespräsident ist nach unserer Verfassung auch Oberbefehlshaber des Bundesheeres; zivile und militärische Gewalt fließen bei ihm zusammen. Er hat den Anspruch auf volle Information über alle wichtigen Vorgänge im Heer - und ihm kommt auch eine völkerrechtliche Kompetenz zu. Wobei sich noch jeder österreichische Bundespräsident dazu verpflichtet hat, die Souveränität "mit allen zu Gebote stehenden Mitteln" abzusichern. Die "umfassende Landesverteidigung" ist aber für das neutrale Österreich vor aller Welt ohne allgemeine Wehrpflicht der jungen Männer unglaubwürdig.

Du, lieber Freund Hubertus, hast von 1996 bis 2001 den Bundespräsidenten in diesem Sinne als sein Adjudant absolut loyal beraten. Warum also jetzt Dein heftiger Ausritt, das Bundesheer nach 57 Jahren Koexistenz zu einem "megasinnlosen Wehrsystem" zu erklären? Warum eine bewährte öffentliche Institution zum "militärischen Abfallkübel" einer republikanischen Müllkippe deklarieren?

Wenn nun aber die Darabos und Trauttenbergs die emotional aufgeladene Volksbefragung im Jänner 2013 gewinnen sollten, dann bedarf es einer neuen Vertrauensgrundlage von Politik, Offizierskorps, Berufssoldaten, und Technikern. Es könnte allerdings auch im Falle von Budgetknappheit eine Art Freiwilliger Feuerwehr übrigbleiben. Die Regionalpolitiker hätten dann endlich auch jenen Einfluss über das Bundesheer, den einige seit langem anstreben. Die Parteibüchel in den Uniformjacken der neuen Truppe wären jedenfalls realistischere Bedrohungen der Republik als eine rabiate Freiwilligenarmee.

Frage der Identität

Ich erinnere mich noch gut, wie Du, lieber Hubertus, - immer einen Schritt hinter dem Bundespräsidenten - unzählige Angelobungen absolviert hast, Zapfenstreiche und militärische Ehren, Tagesbefehlsausgaben und Reden zum Nationalfeiertag. Ich habe Dir zuvor stets das jeweilige Redemanuskript des Bundespräsidenten zwecks Information zugeschickt. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass Du jemals die Aussagen Klestils zur Verteidigungs- und damit auch Neutralitätspolitik verworfen hättest. Undenkbar, dass Du den Begriff "megasinnlos" in Deinem politischen Sprachschatz untergebracht hättest. Gerade im Ausland habe ich Dich sogar als leidenschaftlichen Verteidiger unseres Bundesheeres kennengelernt - und das in höchst gerüsteten Militärstaaten wie Russland, dem Iran, Saudi-Arabien - oder anlässlich der Präsidententreffen Mitteleuropas,

So kam Deine Wortmeldung für viele Deiner Freunde überraschend. Am meisten hat mich selbst dabei irritiert, dass Deine Kritik an General Edmund Entacher davon ausgeht, dieser habe provokativ dem Verteidigungsminister vor einer angetreten Mannschaft seine abweichende Auffassung zur Kenntnis gebracht. Noch vor ein paar Jahren hättest Du wahrscheinlich dafür plädiert, Entacher für den Maria-Theresien-Orden vorzuschlagen. Denn als Konservativer sollte man eigentlich froh sein, dass es solche Offiziere noch gibt.

Als geschichtsbewussten Menschen dürfte für Dich auch nicht unerheblich sein, dass es eine lange Tradition gibt, das Bundesheer an die Person des demokratischen Staatsoberhauptes zu binden. Außerdem waren die Bundespräsidenten der Zweiten Republik entweder eingerückt oder hatten persönliche Beziehungen zum Militärdienst. Offenbar hat sich keiner vor einem Faschistenputsch oder dem Abgleiten in eine "Bananenrepublik" geängstigt - wie Du.

Und wenn man bedenkt, dass es einst der populäre Erzherzog Johann war, der die "Volksbewaffnung" gegen Napoleon im Jahre 1808/09 organisierte - dabei aber von den eigenen Offizieren der (Berufs-)Armee permanent behindert wurde - so darf auch darauf hingewiesen werden, dass es am 20. Jänner 2013 um eine Frage der österreichischen Identität geht ... (Hans Magenschab, DER STANDARD, 25./26.10.2012)