Schematische Darstellung der hauchdünnen, aber zentimeterlangen Ketten von Bakterien (blau), die wie Kabel Strom leiten können. In einem Fingerhut voll Meeresboden finden sich etliche Meter der Bakterienkabel.

Illustration: Mingdong Dong et al.

Aarhus/Wien - Dass Elektrizität und Salzwasser eher schlecht zusammengehen, merkt man spätestens dann, wenn das eigene Handy einen kleinen Tauchgang im Meer macht. Entsprechend groß war die Überraschung, als ein Forscherteam vor zwei Jahren elektrische Stromflüsse im Meeresboden entdeckte. Wie aber kann es sein, dass zwischen verschiedenen Bodenschichten am Meeresgrund Strom fließt?

In der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" präsentiert das Team aus deutschen, dänischen und chinesischen Wissenschaftern die Lösung: "Unsere Experimente zeigen, dass die elektrischen Verbindungen im Sediment feste, mit Bakterien verbundene 'Leitungen' sein mussten", sagt Christian Pfeffer, Doktorand an der dänischen Universität Aarhus und Erstautor der Publikation.

Pfeffer und seinen Kollegen gelang es zunächst, mit dünnen Metalldrähnten, die sie horizontal durch das Sediment zogen, den Stromfluss zwischen den Bodenschichten unterbrechen - prompt änderten sich einige biochemische Prozesse im Sediment. Wurde verhindert, dass Bakterien ihre Kabel durch das Sediment ziehen konnten, stellte sich der Stromfluss erst gar nicht ein.

Bisher unbekannte Bakterienart

Auf der Suche nach den Leitungen fanden die Forscher bisher unbekannte Bakterien, die extrem lange, vielzellige Ketten bilden. Doch erst als die Forscher in ihrem Inneren drahtartige Fasern entdeckten, die von einer Membran umschlossen alle Zellen vom einen zum anderen Ende verbinden, begannen sie zu glauben, dass diese Bakterien wirklich wie elektrische Kabel funktionieren.

Obgleich hundertmal dünner als ein menschliches Haar ähneln die Kabelbakterien herkömmlichen Stromkabeln, in denen mehrere isolierte Drähte Strom leiten können. Die Forscher entdeckten außerdem, dass in den obersten zwei Zentimetern eines einzigen Quadratmeters Meeresboden mehrere tausend Kilometer Bakterienkabel liegen können. Anders als andere Organismen können die Kabelbakterien mit Sauerstoff atmen, obwohl der größte Teil ihrer Zellen im sauerstofffreien, aber nährstoffreichen tieferen Teil des Meeresbodens steckt. Dazu muss bloß ein Teil des Kabels Zugang zum Sauerstoff an der Oberfläche haben.

"Diese Entdeckung revolutioniert unser Verständnis der Biologie des Meeresbodens", erklärt Lars Peter Nielsen, Chef der bio-geo-elektrische Forschung an der Universität Aarhus. Und: "Die leitenden Fasern im Inneren der Kabelbakterien könnten für Elektronik und Technik ausgesprochen interessant sein." (tasch, DER STANDARD, 25.10.2012)