Namensgeber der umstrittenen Piusbruderschaft: Papst Pius X.

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Josef Ratzinger reiste 1962 als reformwilliger Theologe zum Zweiten Vatikanischen Konzil. 50 Jahre später gibt es dank Benedikt XVI. wieder lateinische Messen.

Konservativ, sperrig und für viele unzeitgemäß - so wird Papst Benedikt XVI. wohl in die Kirchengeschichte eingehen. So wurde das Zugehen des Papstes auf die erzkonservativen Pius-Brüder mit Holocaust-Leugner Richard Williamson weltweit von Gläubigen fassungslos aufgenommen.

Doch die laute, vor allem innerkirchliche Kritik beeindruckte Benedikt XVI. wenig. Gilt es doch, einen alten Traum zu erfüllen: das Ende der Spaltung zwischen der Kirche und den Anhängern des verstorbenen französischen Erzbischofs Marcel Lefebvre. Der Anführer der Traditionalisten gründete 1969 die "Bruderschaft Pius X" für alle, die sich mit den Kirchenreformen, ausgelöst durch das Zweite Vatikanische Konzil, nicht anfreunden konnten. Als Namensgeber wählte er jenen Papst, der 1910 den sogenannten Antimodernisteneid einführte, mit dem jeder Priester den "Irrtümern der Gegenwart" abschwören musste. Erst Paul VI. schaffte den Eid 1967 wieder ab. Als "konservativer Reformpapst" lenkte Pius X. die Kirche von 1903 bis 1914, er war der erste Papst seit dem Mittelalter, der seine Karriere als einfacher Landpfarrer begann.

Seit 1994 ist der von Lefebvre zum Bischof geweihte Bernard Fellay der Generalobere der Bruderschaft. Der Hauptsitz der Traditionalisten liegt in der Schweizer Gemeinde Menzingen im Kanton Zug. In Österreich ist der Distriktsitz im niederösterreichischen Jaidhof. Distriktoberer der Piusbruderschaft ist seit 2006 Helmut Trutt. Weltweit gehören zur umstrittenen Bruderschaft 569 Priester und etwa 600.000 Gläubige, davon 100.000 in Frankreich.

Seit 1975 hat die Piusbruderschaft keinen kanonischen Status in der römisch-katholischen Kirche mehr. 1988 führten illegale Bischofsweihen zur Exkommunikation von vier Bischöfen. Der Ausschluss hielt bis zum 21. Jänner 2009: Die Bischofskongregation in Rom hob die "Exkommunikation" der vier Bischöfe Bernard Fellay, Alfonso de Gallareta, Bernard Tissier de Mallerais und Richard Williamson auf. Zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass Williamson 2008 in einem Interview den Holocaust leugnete. Papst Benedikt XVI. erklärte öffentlich, davon nichts gewusst zu haben. Die Verhandlungen mit der Piusbruderschaft laufen weiter, von einer Einigung ist man heute weiter entfernt denn je. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 25.10.2012)